Für eine vielfältig klingende Schweiz – Nein zu No-Billag am 4. März 2018

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Den perfekten Popsong gibt es nicht. Sollen wir deshalb die Popmusik mit all ihren Nischen abschaffen? Nein, natürlich nicht. Auch die SRG ist nicht perfekt. Sollen wir deshalb die SRG abschaffen?

11.Januar 2018

Diversität

Genau dies fordert die No-Billag-Initiative, wenn man sie konsequent zu Ende denkt: Der Bund darf keine Empfangsgebühren mehr erheben (Billag). Er muss also der SRG und 34 anderen Radio- und Fernsehstationen, die bisher Billag-Gebühren für ihre Service-Public-, Bildungs- und Kulturangebote erhalten, diese wesentliche Grundlage für immer entziehen. Und zwar ab dem 1. Januar 2019.

Das ist destruktiv und anti-demokratisch. «Subventionen» (wie die Initianten die Billag-Gebühren gerne nennen) gibt es allerdings nicht nur für die vielfältige Medien-, Kultur-, Pop- und Volksmusik-Landschaft Schweiz, sondern ebenso für die Milch, für die Wirtschaft (Export), für die Armee, für Krankenkassenbeiträge und Sozialwerke, für den Sport, die Bergregionen, für Nationalparks, Wanderwege, Schwimmbäder, Kitas ... Also für eine solidarisch gestaltete Schweiz mit einer – natürlich niemals perfekt funktionierenden – Demokratie.

Verbot für den Bund, Radios und TV via Gebühren zu finanzieren

No-Billag geht aber noch einen Schritt weiter als nur die Gebührenerhebung zu verbieten: Die Initiative will ein weiteres Verbot in der Bundesverfassung festschreiben. Das Verbot im Klartext: «Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen.» Dem Bund wird also untersagt, sich an der Meinungsbildung seiner Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen, anders etwa als in der Finanzpolitik (Schweizerische Nationalbank, Too-big-to-Fail-Sonderfälle UBS, Credit Suisse, ZKB, Raiffeisen-Gruppe etc.). Dies bedeutet das definitive Aus für alle heutigen SRG-Stationen in allen vier Landessprachen mit allen Inhalten: Wort, Bild, Ton.

Ton – das ist dann auch und vor allem die Musik, auch von Musikerinnen und Musikern aus der Nordwestschweiz, die von der SRG für die Musiknutzung Vergütungen erhalten. Aus diesen Gründen lehnt der RFV Basel als Vertreter der Popmusikszene der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft die No-Billag-Initiative klar ab. Auch die Urheberrechtsorganisationen SUISA, die Schweizerische Interpretengenossenschaft SIG, die SWISSPERFORM, der Schweizer Musikrat und die Musikschaffenden Schweiz sagen Nein zu No-Billag.

Anstelle von Musik und Service Public: Werbung, Werbung, Werbung

No-Billag will festschreiben, dass die Konzessionen für Radio- und Fernsehangebote im Land vom Bund an die Meistbietenden versteigert werden müssen. Information, Sport und Kultur als rein markwirtschaftlicher Zweig: Es ist nicht schwer zu erraten, wer diese kostspieligen Konzessionen ersteigern wird. Sicher nicht die lokalen, regionalen und an Meinungs- und Kulturvielfalt interessierten Sender.

Es ist auch klar, wie die Grossfirmen, die solche Konzessionen ersteigern würden, ihre hohen Investitionen rückfinanzieren werden: Über Werbung, Werbung und nochmals Werbung. Genau darauf zielt die No-Billag-Initative schlussendlich ab: auf den millionenschweren Werbekuchen.

Sendeschluss für Musikspartensendungen oder: Was ist uns Heimat wert?

Die No-Billag-Initianten sind der Meinung, dass nur die freie Marktwirtschaft perfekte Bedingungen schaffe für unsere Medien- und Kulturlandschaft. Damit liegen sie aus Sicht vieler Menschen in unserem Land falsch, sicher auch, weil viele Menschen ihre Schweiz, ihr Land, eben nicht als Firma verstehen, sondern als Heimat. Fallen die Billag-Gebühren weg, wird vielen Radio- und TV-Stationen die Grundlage für den Service Public innert neun Monaten entzogen. Für Musikspartensendungen hiesse das schlicht: Sendeschluss.

Die SRG ist nicht perfekt und über die Form des Service Publics kann weiter diskutiert werden. Gut zu wissen aber: Die SRG zahlt pro Jahr 32.85 Millionen CHF für die Musiknutzung (Radio, TV, Signete, Werbemusik) an die Urheberrechtsorganisationen und damit an die Urheberinnen und Urheber und Interpreten der Musik. Radio- und TV-Konsumenten unterstützen also mit ihren Billag-Gebühren indirekt Musikerinnen und Musiker in der ganzen Schweiz, von jung bis alt, von Pop über Rap und Rock bis Volksmusik. Diese Urheberrechtsvergütungen sind für viele Musikerinnen und Musiker überlebenswichtig. Es sind keine Almosen, sondern Entschädigung für ihre Arbeit.

Radiosender, die Billag-Gelder erhalten, senden mehr Musik von SUISA-Mitgliedern, also mehr Musik von hier. Beispiele: SRF Virus (mit Billag-Geldern): 49 %. Energie Zürich (ohne): 8 %. Auch die Vielfalt ist höher: SRF Virus: 8’206 unterschiedliche Songs pro Jahr. Energy Zürich: 1’670.

Ein rein werbefinanziertes Radio spielt – vereinfacht gesagt – wenige internationale Mainstream-Songs. Ein mit Billag-Geldern mitfinanziertes Radio hingegen spielt 5 x mehr verschiedene Songs. Das muss es auch, siehe Bundesverfassung: «Radio und Fernsehen tragen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung bei. Sie berücksichtigen die Besonderheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone.» (Quelle: SUISA).

Lorenz Haas, Geschäftsleiter der IFPI Schweiz (u.a. für die Erhebung der Schweizer Hitparade verantwortlich), sagt nochmals klar: «Es liegt auf der Hand, dass Musikangebote, die nicht dem gängigen Massengeschmack entsprechen, in einer rein kommerziellen Radio- und Fernsehlandschaft keine Überlebenschancen hätten. Abseits des Mainstreams droht der Sendeschluss.»

No-Billag bedroht die Musikschaffenden und Musik-Fans in der Schweiz sehr direkt: Durch die Zerschlagung der gebührenfinanzierten Radio- und Fernsehstationen gingen der vielfältigen Kultur zahlreiche Plattformen zu ihrer Verbreitung verloren. Ein Nein zur No-Billag-Initiative ist also ein Bekenntnis für eine vielfältig klingende Schweiz.

RFV Basel – Popföderung und Musiknetzwerk der Region Basel

Hintergründe zu No-Billag

Olivier Kessler – Kopf und Präsident von No-Billag.
Artikel in der Aargauer Zeitung, 2017

Text der No-Billag-Initiative:

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert (Auszug), Art. 93 Radio und Fernsehen:
(...)
3 Der Bund versteigert regelmässig Konzessionen für Radio und Fernsehen.
4 Er subventioniert keine Radio- und Fernsehstationen. Er kann Zahlungen zur Ausstrahlung von dringlichen amtlichen Mitteilungen tätigen.
5 Der Bund oder durch ihn beauftragte Dritte dürfen keine Empfangsgebühren erheben.
6 Der Bund betreibt in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen.
(...)