Mir – Shock Your Moneymaker
Mir aus Basel haben ein neues Album am Start. Mir, nicht zu verwechseln mit der neuen Electronic-Musikreihe Mir im Raum D an der Oslostrasse 12 in Münchenstein, Mir also sind eine radikale Band, aber nicht chic. Vielleicht war das auch der Grund, warum die Band den verrückten Doktor Fisch um einen offiziellen Pressetext angefragt hat, den der RFV Basel hier nun quasi honorar- und spesenfrei sowie in voller Länge zu veröffentlichen in der Lage ist.
Doktor Fisch
«Is This Non-Music?» - Das Mir-Logbuch 2013
Mir, das letzte Noise-Bollwerk, ist in seinen acht Jahren nach dem ersten Stapellauf 2005 mit vielen Etiketten beklebt worden. Stilistisch arbeiten Mir an einer Art Non-Music, in einem offenen Referenzsystem zwischen Industrial Rock, No Wave, Japan Noise, Drones, Kraut-Rock, Anarcho-Krach und Minimal Music. «Mir verhandelt die Reste der Avantgarde mit der Wucht des Punk», hiess es einmal oder «Mir machen perfekte Tanzmusik für Klingonen». «Experiment In Terror» wäre ebenfalls eine klingende Umschreibung, nur müffelt das Wort «Experiment» heute zu sehr nach Salon-Avantgarde, zu sehr nach dünnen Konzeptkunst-Ergüssen aus der mitteleuropäischen Comfort Zone. Und Terror klingt nach blinder Zerstörung – das ist nicht die Idee von Mir. Erschaffen schon eher: Soundbrocken mit einem Herzen aus kaltem Funk.
Frontalangriff auf das Konforme
Der Bezug zu Ausserirdischem, Unterirdischem, Sciene Fiction und der visionären Kargheit osteuropäischer Filme (Tarkowski) oder Literatur (Lem) liegt nah, schliesslich heisst die Band Mir genauso wie die sowjetische Raumstation in den 80er Jahren: Mir = Friede. Gleichzeitig haben Mir uns nie die Zukunft versprochen, keine auf perfekter Technik basierende Welt, die dem Menschen alle Arbeit abnimmt. Im Gegenteil: Mir sind das Jetzt. Mir sind der letzte freidrehende Aussenposten einer Zivilisation, die von Post-Post-Moderne schönredet, wenn sie kollektive Gleichschaltung meint. Die von einer «besseren Welt für alle» redet, wenn sie Zerstörung der störenden Elemente meint. Mir jedoch ist ein Frontalangriff auf das Konforme. Und wenn es eine Vision im Klanguniversum von Mir gibt, dann ist sie tatsächlich ziemlich düster – und doch manchmal ziemlich funny. Und live eine laute, hypnotische Macht. On Tour haben die drei von Mir ihre Musik weit in die Welt getragen, nach Japan, Brasilien, Osteuropa ... Man versteht Mir besser, wenn man woanders ist als zuhause.
Den besseren Menschen gibt es in der Musik von Mir natürlich nicht und darum gibt es wohl auch keine Lyrics. Die bessere Maschine gibt es ebenso wenig. Im Zeitalter des smarten High Techs trotzen Mir mit viel dickem Metall. Und so atmet und erzeugt Mir eine pure Energie, eine freie Klangoase und eine messerscharfe Ironie, die ihresgleichen sucht.
Friede geht anders, Mir geht so.
Wie schon die LP Abandon Ship (2009, Japan Tour Edition) ist auch Shock Your Moneymaker in einer ungefilterten Live-Situation entstanden. Die Aufnahmen in der Kaserne Basel hat Alex Buess (16-17, God, Ice) überwacht, gemischt und produziert. Mir sind im Normfall Daniel Buess an den Schlaginstrumenten, Papiro an den Saiten- und Blasinstrumenten und Michael Zaugg an Synthesizer, Elektronik, Knöpfen und Effekten; in der Kaserne Basel sind nun die beiden Perkussionisten Roman Bruderer und Chris Jaeger Brown mit dabei. Ihr tablaeskes Spiel verleiht der Musik von Mir etwas Repetitiv-Furioses, vor allem dann, wenn auch noch die indische Flöte namens Shehnai von Papiro zum Einsatz gebracht wird.
Ein Track wie «Encore» taumelt den psychedelischen Irrwegen des Kraut-Rocks entlang, während «Black Flute Chant» gleich zu Beginn des Albums die volle Attacke auf Free Jazz reitet. «Church Of Olten» zerreibt in einem einzigen Aufwasch ein recht grosses Schraubenlager und die Reste des Sendeturms von Radio Beromünster. «Bass Pool» wiederum nähert sich dem Dancefloor mit maximal scharfgewetzten Schwertern. «Karma Fuck Up» klingt wie ein Ausflug in Napalm-zersetzte Teeplantagen in Südostasien. Mit Mir geht man viel weiter mit, als man eigentlich gewollt hat.
Die elf Tracks von Shock Your Moneymaker sind nach drei Jahren Zwischenstation in einem geheimen Labor von Produzent Alex Buess nun endlich greifbar.
Mir – Shock Your Moneymaker
(A Tree In A Field Records) ist am 5. April 2013 erschienen.