Pyro – Schatteboxe: Die Rap gewordene Fackel

Reviews
Pyro © zvg. 2012
Pyro © zvg. 2012

Die langerwartete CD von Rapper Pyro lag zwar schon einige Zeit auf dem Pult von Doktor Fisch, doch eine alte Kriegsverletzung zwang den Hausarzt der Basler Musikszene auf die Knie. Frisch gedopt ist Doc Fisch nun wieder zurück, mit einer gewohnt kompliziert formulierten, umherschweifenden aber ehrlichen Würdigung von Schatteboxe, dem zweiten Soloalbum von Pyro.

Album Review

Ohne Bart in die Charts

Viereinhalb Jahre hat sich Pyro MC Zeit gelassen für den Nachfolger seines Solo-Debuts Hoffnigsfungge. Kurz vor Weihnachten 2012 war es dann soweit: Schatteboxe erschien im Schatten der Lautsprecherboxen und des Christbaums, eine Doppel-CD mit 22 Tracks purem, schnellem Rap (und als Zugabe zehn Remixes). Pyros zweites Album, produziert von P-27-Mastermind Tron, schaffte es dann einen Tag vor Weihnachten, dem langen Schatten des christlich-fundamentalen Mega-Events zu entkommen und landete in der Schweizer Hitparade. Nein, nicht auf 1 (dafür braucht es ein bisschen mehr als Realness, Street Credibility, das Herz auf dem rechten Fleck und den Funk im Nacken. Zum Beispiel Geld. Oder noch besser: mehr Geld. Oder einen Bart), aber immerhin auf Platz 89. Seit Brandhärds letztem Chartseintritt mit Black Box auf Platz 11 war das der neueste, wenn auch einsame Basler Rap in der Schweizer Hitparade (unvergessen in Sachen BS-Rap in den CH-Charts ist immer noch DJ Aces Chartseintritt mit Jetzt ich! auf Platz 100 – für eine einzige Woche. Punktlandung!).

Dicker Fels in der Landschaft

Rappartment heisst die momentan aktivste Posse oder Family im Basler HipHop; unter einem Dach werden Platten aufgenommen, das Artwork gemacht, das fertige Produkt, rausgebracht (zuletzt Mos & Dr. Aux, Sista Lin, Rudee oder Pearlbeatz’ Debut), Konzerte für die einzelnen Künstler gebucht, Promotion betrieben, Kooperationen gesucht und vor allem Know-how an neue Rapperinnen und Rapper, Beatproduzenten und DJs weitergegeben. Dabei ist Pyros 13-jährige aktive Beteiligung am Basler HipHop die grösste Konstante; was Pyro um die Jahrtausendwende mit Dr. Aux und Mos MC damals noch als Rookie-Crew VinylBros auf die Bühne brachte, war zwar sehr frisch, aber oft auch etwas unbeholfen.

Die Skills sind aber gewachsen und Dr. Aux immer noch Pyros Haus-DJ (während Mos wiederum mit Dr. Aux eigene Platten aufnimmt). Mit Schatteboxe hat der mittlerweilige 32-jährige Pyro nun einen dicken Fels in die Landschaft gerammt und Rappartment als wichtigsten, umtriebigsten HipHop-Player in Basel etabliert. Zwar fährt man noch nicht AMG-Mercedes (und hat das sicher auch nicht auf der Agenda), dafür braucht man aber auch keine Knarren im Rappartment. Oder im Muttenzer-Kurven-Slang: Wenn Rappartment das Stadion ist, dann ist Pyro die Rap gewordene Erste Fackel.

Der Beat geht straight

Pyro! (Pairo mit oder ohne «!») bringt also solo, aber nicht ganz im Alleingang den Rap aus Basel-City zurück auf die Landkarte, die – würde man den CH-HipHop der letzten zwanzig Jahre und den von heute etwas genauer untersuchen – ziemlich zerbombt zwischen Aggro-, Gangsta-, R’n’B, Fun-, Kinder- und Auto-Rap auf dem Tisch liegt. Los geht das Doppelalbum mit «Us em Schatte vo de Boxe» mit hartem Funk und klaren Ansagen des «funky Motherfuckers» Pyro. Der Beat geht straight, die Handschrift von Tron, der bei einigen der letzten Releases aus dem Hause Rappartment die Finger drin hatte, ist unverkennbar, fügt sich aber passgenau in Pyros Albumkonzept. Es soll 1. Spass machen, 2. wachrütteln und 3. überzeugen. Das tut es – ohne hier alle Details zu allen 32 Tracks rapportieren zu müssen. Die transparente, kompakte Produktion appelliert an Herz, Kopf und Tanzbein zugleich und wirkt nie aufdringlich. Selten geworden! Und: Schatteboxe ist immer auf Augen- und Achselschweisshöhe mit der Crowd.

Auffallend und wohltuend ist auch, dass sich Pyro keine teuren Features aus Deutschland aufs Album gerippt, sondern sehr wohldosiert einige der Helden des WB-Tal- und Basler Raps im Track «Hip-Hop wird nie untergoh» vors Mic gebeten hat: Black Tiger natürlich, Poet, Skelt!, Shape MC und aus dem eigenen Reihenappartmenthaus Sista Lin, Mos, Söömli und die Nachwuchshoffnung Rudee. Das wars auch schon, das Territorium ist abgesteckt. Und der Nachfolger der alten Helden steht bereit. Er heisst natürlich Pyro.

Scheiss auf die Charts - im Club geht's an die Decke!

Allein schon die Radio-Single samt Video «Radio» mit dem «CH-(Rap)-Verboten-Kleber beim Radiostudioeingang zeigt ironisch, dass Rap für Pyro immer noch lebendige Subkultur der Strasse ist, obwohl CH-HipHop im Mainstream seit Stress und dem Typen mit dem falschen Bart eine unverdient grosse Rolle spielt. Und tatsächlich: Wer kurz die airplay.ch-Suchmaschine startet, wird kein einziges Privatradio in der Schweiz finden, das Pyros Single «Radio» spielt. Mission erfüllt? Die Antwort dazu hat Pyro standesgemäss auf der Club-Bühne parat. Die Swiss Skills Tour, deren fixes Element er ist, macht am Freitag, 8. März im Sommercasino Basel halt (danach geht’s wieder weiter durch die Schweiz). Sechs Acts aus sechs Städten gehen am Freitag an die Decke und das Publikum garantiert auch. Mit dabei sind neben Pyro auch Smack, Phumaso & C.Mee, Webba, Mimiks, ZugerShuger und FixFinest. Wir erwarten ausverkauftes Haus! Parkplätze sind keine vorhanden.

Pyro -Schatteboxe (Cover)
Pyro -Schatteboxe (Cover)

Pyro – Schatteboxe

(Rappartment/Nation Music) ist am 7. Dezember 2012 erschienen und ist über den Rappartment-Shop, Spot Records, Urbanpeople.com, ExLibris und über die üblichen Kanäle sowie digital über itunes zu ordern.

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