Sheila She Loves You – Sorry

Reviews
Sheila She Loves You © 2013
Sheila She Loves You © 2013

Seit 2010 haben sich Sheila She Loves You mit munter-melancholischen Liedern einen Platz in der CH-Musikszene erspielt. Nun, auf ihrem zweiten Album mit dem Namen Sorry, wühlt die Band in allerlei Abgründen und zelebriert emotionale Extreme.

Album Review / RegioSoundCredit

Drei Jahre sind vergangen seit dem Debüt Esztergom. Drei Jahre, in denen das Basler Quintett Sheila She Loves You kleine Clubs und grosse Festival bespielt und sich mit schmissigem Powerpop, der auch irgendwie folkig dengelte, viel Kritikerlob und eine treue Fangemeinde erarbeitet hat. Man sollte meinen, das würde die Laune heben, doch statt beschwingt klingt die Band auf ihrem Zweitwerk: unerwartet ernst.

Schwermut, Weltschmerz

Zunächst knüpfen Sheila She Loves You beim Debüt an. Die Single «Dolphin Champion» eröffnet das Album und wirkt mit lustigen Steeldrum-Einlagen trotz melancholischen Untertönen eher aufmunternd. Das folgende «Emma Watson» geht als Jungmänner-Jux durch, auch wenn sich hinter dem schwungvollen Arrangement erste Abgründe erahnen lassen.

Dann aber finstert’s, die Band ruft «A Golden Dark Age» aus und verkündet: «The sins of our parents forecast total mayhem». Ganz so bös kommt’s dann nicht, so wenig wie die Black-Metal-Einflüsse, von denen im Infoschreiben die Rede ist, hörbar werden. Erschütternd und die Seelenruhe empfindsamer Zuhörer gefährdend ist der folgende Songreigen aber allemal.

Sänger Joachim Setlik erinnert manchmal an Connor Oberst und Robert Smith und auch die Songs klingen stellenweise wie die Musik einer Band, die über die Bright Eyes auf The Cure gestossen ist. Sorry verströmt nicht einfach Melancholie, sondern eine Schwermut, einen Weltschmerz von selbstquälerischer Intensität, wie er nur in der Adoleszenz gedeiht. Nicht dass dieses Album nur für junge Erwachsene zu empfehlen wäre, auch reifere Hörerinnen und Hörer dürften Gefallen an diesen dramatischen Stücken finden. Es ist aber vorstellbar, dass Sorry auf jugendliche Fans eine ähnliche Wirkung ausübt, wie sie zu ihrer Zeit Lifted (Bright Eyes, 2002) und Disintegration (The Cure, 1989) auf heute Dreissig- beziehungsweise Vierzigjährige hatten.

Tief schürfen, hoch zielen

Das sind gewagte Vergleiche, sie wecken hohe Erwartungen und sind für manchen Leser womöglich irreführend. Doch ohne Pathos kann man über dieses Album nicht schreiben. Stücke wie «Can’t Take It Anymore», dieser sich in Pianostrudeln nach Erlösung sehnende Abgesang auf die Liebe, wecken den Wunsch, sich mit Rotwein und Rasierklingen in die Badewanne zu legen oder sonst einen bedeutungsschwangeren Blödsinn anzustellen, um endlich wieder einmal wirkliche Gefühle zu erleben.

Gesünder ist es, einfach weiter der Musik zu lauschen. Denn «I Can’t Take It Anymore» folgen drei weitere, die finalen Songs, die tief schürfen und hoch zielen. Besonders bewegend gerät das abschliessende «Hades», das sich über sieben Minuten von der Pianoballade zum mächtige orchestrierten Schlussgesang entwickelt und sich wie eine Decke über den aufgewühlten Hörer ausbreitet.

Es ist die vielleicht grösste Qualität dieser Platte, dass sie Emotionen weckt, deren Ausbleiben man abgestumpft von langjährigem Musikhören akzeptiert hatte. Sorry ist ein Album wie es heute nicht mehr oft gemacht wird – elf Songs, die einen dreiviertelstündigen Spannungsbogen bilden, eine Andacht für Menschen, für die Musik die Religion bildet. Man kann sich dieses Album auf den mp3-Player laden oder ins CD-Regal stellen, gerne würde man sie auf Vinyl kaufen können, aber eigentlich ist das egal. Denn wer sich von diesen Songs ergreifen lässt, dem schreiben sie sich in die Seele ein.

Sheila She Loves You – Sorry (Cover)
Sheila She Loves You – Sorry (Cover)

Sheila She Loves You – Sorry

(Ankerplatten) ist am 19. April 2013 mit einem Beitrag des RegioSoundCredits erschienen.

Sheila She Loves You sind: Joachim Setlik (voc, guit), Alain Meyer (guit), David Blum (bs), Tobija Stuker (dr), Matthias Gusset (synth, p).

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