Combineharvester – Brikks: Unruhige Landschaften

Reviews
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Combineharvesters neues, viertes Album mit dem Namen Brikks wird am 28. Mai 2014 erstmals live aufgeführt. Doktor Fisch hatte die Gelegenheit, für das Album einen Release-Text zu verfassen. Hier seine (subjektiven, was anderes kann er ja nicht) Betrachtungen.

Album Review / RegioSoundCredit

Das ist eine Band: Combineharvester, Mähdrescher, zusammengeschrieben.

Combine Harvester, auseinandergeschrieben, ist eine ordentlich grosse Maschine, die über Felder schleicht und dabei schneidet, erntet, trennt, verarbeitet, ausspuckt, dröhnt. Eine kompakte, rollende Fabrik sozusagen. Combineharvester, die Band, begann 1998 als Solofahrer, im Cockpit nur Marlon McNeill. Auf dem vierten Album sind es nun drei Erntegesellen; der einstige Solofahrer und die zwei Beifahrer Samuel Tschudin am Bass und Miro Widmer am Schlagwerk.

Das ist eine Band. Combineharvester. Scheiss auf Vergleiche mit anderen Bands. Oder Maschinen.

Made in Barra, recorded in Faust

Combineharvester, sagt Marlon McNeill, sei sein allererstes gesprochenes Wort als Kind gewesen. Dies die mütterlich beglaubigte Legende. Sie bildete sich tief in den Siebzigern, tief in der ostenglischen Provinz in Bury St Edmunds, wo die Familie McNeill lebte, in einer rückständigen Gegend voller wuchernder Natur, im Bedienstetenhaus einer grossen Villa auf dem Land.

Dann – die brutale Arbeitslosigkeit Anfang der Achtziger Jahre zerrieb gerade die Working Class – musste die Familie McNeill in die Schweiz rüberthatchern. In ein Hochhaus nahe Basel. Wir nehmen das Wort «Bury».

Ein Kind, das als erstes Wort «Combine Harvester» sagt, hat etwas vor im Leben, etwas Grosses, Lautes. Etwas, das anders ist als die üblichen Träume der Kinder. So ist es gekommen.

Die McNeills allerdings waren Schotten, ursprünglich von den Äusseren Hebriden, von einer herb umspülten, kleinen Felsen- und Schafinsel namens Barra. Dorthin ist Marlon McNeill vor einem Jahr zurückgekehrt, Ahnensuche, auf Gälisch, mit Fähre und Kleinflugzeug und Wanderschuhen und Regenjacke, und schrieb dieses Album nieder. Wir nehmen das Wort «Barra».

Faust, die deutsche Krautrockband, spielt hier auch eine Rolle, in Form des Faust Studios in Scheer, Germany. Hier wurde das Combineharvester- Album aufgenommen und gemischt, und zwar live, von Andreas Schmid, kritisch beäugt und teetrinkend in den Bart bemurmelt von Hans-Joachim Irmler, der Original Orgel-Faust. 
Wir nehmen das Wort «Faust».

Brikks, so Marlon McNeill, «ist die Melodie der Landschaft gedacht mit dem Dröhnen der urbanen Umgebung, der unruhigen Stadt: Berlin und Rom in diesem Fall – aber Presslufthammer und startende Flugzeuge haben auch ihren Reiz.» 
Wir nehmen das Wort «Brikks».

Bury – Barra – Faust – Brikks.

Wir haben eine Band. Wir zählen die Songs: sieben. Wir ahnen Todsünden und kriegen dafür ein (Obscure?-)Rock-Album mit psychedelisch dröhnendem Noise-Fundament, mit repetitiven, weiten Anflugschneisen des Drone-Rocks. «Ich hatte Lust auf mehr Gitarren», sagt Marlon McNeill und deshalb klingt Brikks meist anders als alles andere von Combineharvester und allen anderen.

Es gibt – denkt man nebenher und deshalb fett – auch woanders das Aufeinanderprallen der zwei Pole; des Dröhnens der grossen Stadt auf die Unschuld der kindlich verinnerlichten Provinz. Zum Beispiel bei Travis Bickle, der in «Taxi Driver» Nacht für Nacht den Schmutz des Big-City-Wahnsinns durchpflügt und an seinem Hass fast erstickt. Die beiden widersprüchlichen Pole leben in Combineharvesters Musik. So ist Brikks durchaus auch Taxi Driver – minus den Hass.

Wir nehmen das Wort «Bickle» aber nicht, weil das nur nebenher gedacht ist.

«Who are my brothers? Who are my sisters?» heisst es im Song «Brothers and Sisters». «The ferryman will make you swim. And rivers will flow upstream. I bring you answers». Antworten. Besser als Fragen.

«Brothers and Sisters» ist eine grosse Maschine, die die Welt in 8:30 Minuten in eine mystische Reise mit Hindernissen zerlegt. Hier braust der Mähdrescher im Autopilot über die längst verlorenen Felder, über die dunklen Klippen, Richtung Meer.

«Horrible Things» ist der letzte Song. «Horrible things. Adorable things. Like people.»

Die schrecklichen Dinge – und die verehrungswürdigen. Menschen zum Beispiel.

Nebenbei: Viele Dinge könnte man aus diesem Song raushören, zum Beispiel die Zündschnur, die er legt zur verschollenen Nabelschnur von «In Utero», dem letzten Album von Nirvana, mit produziert von Steve Albini. Aber: Scheiss auf Bandvergleiche. Und wenn doch Nirvanas «In Utero» – dann minus die Verzweiflung.

Keine Kompromisse, Brüder und Schwestern, kein Hass, keine Verzweiflung. Nicht mit Combineharvester, nicht in dieser Welt.

Das ist eine Band. Combineharvester. Diese Band setzt alles daran, dich zu kriegen – oder für immer zu vertreiben.

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Combineharvester – Brikks

(A Tree In A Field Records / Irascible) ist am 30. Mai 2014 mit einem Beitrag des RegioSoundCredit erschienen.

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