Dänu Siegrist – Chansons Urban: Nachttrunken und nachdenklich

Reviews

Seine Herkunft kann und mag Dänu Siegrist nicht verstecken. Der Berner, der seit Anfang der 80er-Jahre in Basel lebt (wo er 1994 den Rockförderverein der Region Basel RFV mitbegründete), bleibt auf dem neuen Album Chansons Urban seinem Dialekt treu. Mehr noch: Hört man sich den letzten Song «Lorraine» an, dann bekommt man fast das Gefühl, dass Dänu Siegrist ein wenig Heimweh verspürt – nach Bern und insbesondere nach dem Quartier nordwestlich der Altstadt, der Lorraine.

Album Review

Pionier des Mundart Rocks

Im vergangenen Herbst hat Siegrist nach 19 Jahren den RFV Basel verlassen, bei welchem er zuletzt als Fachleiter für die Beratung von Bands und MusikerInnen, die Professional-Förderung und Workshops angestellt war. Ein Spurwechsel, dank dem er jetzt wieder über mehr Zeit und Raum für eigene Projekte verfügt.

Siegrist zählt zu den Mundart-Pionieren der Schweizer Pop- und Rock-Szene und war zwischen 1975 und 1985 Gitarrist bei Span (der «Lauenesee» von Siegrist und seinen Mannen ist längst Schweizer Kulturgut) und für einige Jahre auch Teil von Polo Hofer’s Schmetterding. Als Frontmann der Dänu Siegrist Band veröffentlichte er bis 2000 fünf Alben; danach liess er es musikalisch – zumindest nach aussen hin – ruhiger angehen.

Stille Schwermut - Reife und Wärme

14 Jahre später, auf dem neuen Album Chansons Urban, präsentiert sich der Künstler als Singer-Songwriter und gibt sich betont leise, relaxt und unterwirft sich der stillen Schwermut. Der Sound seines neuen Longplayers fusse schon ein wenig in den 70er-Jahren, gestand Siegrist vor kurzem in einem Radio-Interview. Die Keyboards schwelgen in der Wärme, die Gitarren summen schier lieblich und bevorzugt akustisch. Und der Gesang klingt nicht nur reif, sondern auch ausgewogen. Der Sänger orientiert sich an Folk, Blues und – wie der Plattentitel mehr als nur andeutet – am Chanson. Siegrist inszeniert sich als Geschichtenerzähler, der sich einer gewissen Nostalgie gar nicht erst zu entziehen versucht.

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Distanz zur Vergangenheit

In «Nachtzug» entsinnt er sich seiner Grossmutter und seines Vaters – und von diesem hätte er dann doch noch gerne gewusst, wo er denn nun wohnt. Die Spuren der Lieder führen in die Vergangenheit, doch der 59-Jährige versinkt nicht in längst vergangenen Zeiten. Selbst in seinen Erinnerungen bleibt er der empathische Beobachter und bevorzugt eine gewisse Distanz.

Während sich der Auftaktsong den lockeren, aber zielgerichteten Shuffles à la J.J. Cale annimmt, wagt sich «Um das dräiht sech d Wäut» näher an den entspannten Blues und «Dänksch du no dra» arbeitet mittels fein arrangiertem Orgelspiel auch Soul mit ein. Die Tracks wirken nachttrunken, und selbst wenn Siegrist vom Sommer in der Stadt singt, lässt er eher an Schatten als an Sonne denken.

Berührende Songs

Die Platte, die bisher ausschliesslich über Siegrists Website und die seines eigenen Labels, Jegerland Records, zu beziehen ist, wurde von Giacun Schmid und Darren Hayne produziert. Die beiden haben Chansons Urban in ein transparentes Klangbild gekleidet. Eines, das die musikalische Verwandtschaft zu Acts wie Patent Ochsner, Polo Hofer oder Stephan Eicher nie leugnet. Auch dank tatkräftiger Mithilfe von Francois Terrapon am Bass, Pim Kops am Piano, Eric Gut am Schlagzeug oder Luc Montini an der Gitarre ist ein Oeuvre entstanden, das in Basel aufgezeichnet wurde, sich aber nicht zuletzt in die Annalen des Berner Mundart-Rocks einschreiben wird.

Doch egal, für welche Stadt Dänu Siegrist nun steht: Fakt ist, dass er schampar berührende Songs zu bieten hat.

Dänu Sigerist - Chansons Urban (Cover)

Dänu Siegrist – Chansons Urban

(Jegerland Records) ist Anfang Juni 2014 als CD und digital erschienen. Hörproben gibt es auf der Website, wo das Album auch im Shop gekauft werden kann.