Lucky The Girl – Hey You: Direkt und ungekünstelt

Reviews

Auf Hey You, ihrer zweiten Platte als Lucky The Girl, zeigen sich Michèle Thommen und ihre musikalischen Begleiter der Authentizität verpflichtet. Entstanden sind sieben Songs, die nah am Country-Pop agieren, aber ihre ganz eigenen Bahnen ziehen.

Album Review

Als dreifache Mutter und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Teilzeitpensum kommt Michèle Thommen nicht mehr täglich dazu, zur Gitarre zu greifen. «Aber ich singe viel – natürlich auch mit meinen Kindern», erzählt die Basler Musikerin beim Kaffee. Dennoch ist sie aktuell mehr als nur ein bisschen mit ihrer Musik beschäftigt, denn: Am 5. September 2015 wird Hey You, ihr zweites Album als Lucky The Girl getauft.

Ihren allerersten Auftritt habe sie an einer Maturafeier am Gymnasium Bäumlihof bestritten, als Opening Act. In den 90er-Jahren war sie mit François Terrapon als Duo Deux Pièces unterwegs, später als Sängerin der Americana-Formation –Stip um Leendert van Stipriaan (heute: English Garden). Weil es ihr zunehmend wichtig wurde, wieder eigene Texte zu singen, entschloss sich die Singer-Songwriterin 2009, es fortan als Lucky The Girl zu versuchen.

These Golden Days hiess das noch im selben Jahr erschienene Debüt, das einer Hommage an goldene Herbsttage gleichkam. Dessen 13 Popsongs bescherten viel Geschmeidiges, aber auch Wohltemperiertes.

Auf die Frage, warum sich nun der Country immer stärker in ihrer Stimme abzeichnet, hat Thommen keine Antwort. «Klar ist nur, dass mein Akzent schon seit je zum US-amerikanischen neigte», sagt sie. Ihre musikalischen Vorlieben sieht sie bei klassischen Singer-Songwritern wie Cat Stevens, Tracy Chapman oder James Taylor. Dabei handle es sich aber keinesfalls bei allen um «Jugendlieben», so Thommen. «Taylor, ein toller Musiker mit tollen Songs und Texten, habe ich zum Beispiel erst anfangs der 2000er-Jahre für mich entdeckt.»

Zu Zeiten von «These Golden Days» traten Lucky The Girl öfters zu fünft auf. «Das war vom Sound her super, ging aber ins Geld», wie die Musikerin sich entsinnt. Im Zentrum des Nachfolgers agiert jetzt ein Trio: Nebst der Hauptakteurin, die für Gesang und akustische Gitarre verantwortlich zeichnet, sind das Rainer Schudel am Bass und Magor Szilagyi an der elektrischen Gitarre. Die Geschichten, die Thommen zu den insgesamt sieben Songs des neuen Albums erzählt, drehen sich nicht wie beim Erstling fast ausschliesslich um die Liebe, sondern auch um Themen wie Tod, Heirat, die Schweizer Berglandschaft oder Familiäres. «Ich nehme mir nie vor, über etwas Bestimmtes zu schreiben», sagt die Künstlerin. Sprich: Über den Inhalt eines Stücks entscheidet letztlich die Muse.

Authentisch, beschwingt, aber auch mal melancholisch
Es war der grosse Wunsch der Musikerin, dass das neue Werk möglichst intim und authentisch klingt. Das ist Lucky The Girl zweifelsohne gelungen. Das Album ist ein Beweis dafür, dass Thommens Stärke insbesondere in der Beschwingtheit liegt. Ihre Lieder, die sie zum Teil erstmals am Piano geschrieben hat, weisen zwar auch eine melancholische Seite auf, doch diese ist so still und heimlich, dass sie fast wie ein fernes Echo anmutet.

Tracks wie «No Air No Light», eine sinnierende Ballade mit zarten Reggae-Spuren, oder das hymnische «Shine On Me» zeigen Thommen relaxt, ungekünstelt und in ihrem Element. Hey You agiert fern aller Modeströmungen zieht ganz eigene Bahnen und überzeugt gerade deswegen.

Dass das Album nicht in Basel, sondern ennet der Grenze im französischen Hégenheim getauft wird, hat einen guten Grund, wie Thommen erklärt: «Die Macher des Théâtre de la Fabrik sind sehr engagiert – und sie haben mir angeboten, die Saison zur eröffnen.»

Lucky The Girl – Hey You (Cover)
Lucky The Girl – Hey You (Cover)

Lucky The Girl – Hey You

(Eigenverlag) ist am 5. September 2015 erschienen.