ColdCell – Those: Lasst euch an der Hand nehmen und in die Düsternis führen

Reviews
ColdCell © Haste Malaise Photography 2017
ColdCell © Haste Malaise Photography 2017

ColdCell sind eine kompromisslose Band aus dem Reich des schwarzen Schwermetalls. «Das dritte Album der Basler Band entfesselt im einen Moment Orkane und jagt einem im andern mit Zwischentönen aus dem Schattenreich Schauer über den Rücken», sagt Kritiker Reto Aschwanden.

Album Review

Basel und Düster-Metal, das wird langsam zur unendlichen Geschichte. Das neuste Kapitel schreiben ColdCell mit ihrem dritten Album Those. Wie bei Schammasch, mit denen sich ColdCell zwei Musiker teilen, speist sich der Sound aus Black Metal, erweitert das Spektrum aber weit über Blastbeats und Raffelgitarren hinaus. Anders als Schammasch fordern ColdCell ihr Publikum aber nicht mit Avantgardismus. Was sie spielen, wirkt für Schwarzmetaller vertraut. Ihre Kombination verschiedener Stile von High-Speed-Gemetzel über Doom bis zu psychedelischen Passagen ist aber doch recht eigen.

Wozu diese Band, 2012 aus der Asche von Atritas erstanden, fähig ist, zeigte sie beim diesjährigen Czar Fest in der Kaserne (Bilder). Einfach war es nicht, aus diesem starken Line-Up herauszuragen, doch das Quintett lieferte ein packendes Set, bei dem die Prügelattacken präzise trafen und die feinsinnigeren Klanggebilde eine dichte, düstere Atmosphäre über den Rossstall legten.

Im Beipackzettel zum neuen Album nennt die Band ihren Stil «Atmospheric Black Metal» und «Swiss-German Extreme Rock’n’Roll». Letzteres sei mit einem Augenzwinkern zu verstehen, wie überhaupt in jedem Aspekt des Bandschaffens Ironie, Sarkasmus, Zynismus und Hohn stecke. Das erklärt vielleicht, warum Sänger S (die Musiker verbergen sich hinter kurzen Pseudonymen) selbst für einen Metal-Berserker ganz schön abdreht. Neben Schimpf und Schande spuckt er auch Hohn und Spott und gelegentlich zetert, wimmert und heult er wie ein kompletter Psycho. Muss man sich erst mal getrauen. In doomigen, melodiösen Passagen hingegen erinnert er manchmal an Johan Edlund (Tiamat).

ColdCell © Milena Kancheva 2017
ColdCell © Milena Kancheva 2017

Zwölf Minuten Raserei

Stellvertretend für das Spektrum des Sängers wie der ganzen Band auf diesem Album steht das zentral platzierte «Tainted Thoughts» (ganz unten). Tonnenschwer schleppend kündet der Auftakt Unheil an. Dann sirren die Gitarren wie ein Wespenschwarm im Angriffsmodus, allmählich zieht das Tempo an, wuchtige Schläge des Drums rammen Pfähle in den Boden. Die Band fällt kollektiv in Raserei, reisst alles mit im Sturm vorwärts, immer weiter, immer verzweifelter, bis der Lärm unversehens abbricht.

Unversehens entwickelt die Gitarre eine spieluhrartige Melodie und der Sänger verfällt im Hintergrund dem Wahn wie ein Geisteskranker bei Vollmond in seiner Zelle. Irgendwann dröhnt und fiept erneut eine schwer verzerrte Gitarre in die gespenstische Klanglandschaft und lässt so ein bemerkenswertes Stück ausklingen, das über fast zwölf Minuten fesselt und im Gedächtnis bleibt.

Eine Platte nicht nur für Black-Metal-Heads
ColdCell wissen, wie man Riffs schreibt, sie können spielen und zeigen viel Sinn für Dramaturgie und Arrangements. Wenn sie wollen, entfesseln sie Orkane, die alles wegblasen, in der nächsten Minute aber jagen sie einem mit Zwischentönen aus dem Schattenreich Schauer über den Rücken.

«Those» ist ein ambitioniertes, aber unverkrampftes Album für Menschen, die zeitgenössischen Black Metal schätzen. Es könnte aber auch als Türöffner für eher traditionelle Metaller dienen, die sich vom heutigen Extreme-Metal überfordert fühlen. Leute, lasst euch von ColdCell an der Hand nehmen und in die Düsternis führen. Ihr werdet es nicht bereuen.

Coldcell – Those (Cover)
Coldcell – Those (Cover)

ColdCell – Those

«Those» (Czar Of Crickets Productions, NonStopMusic, PlasticHead) erscheint am 3. November 2017 als CD und digital, erhältlich auch im Czar Shop.

Discography
2017 Those
2014 Lowlife
2013 Generation Abomination