Echolot – Volva: Der Sound aus den Tiefen des Weltalls und der Ozeane

Reviews
Echolot © 2017
Echolot © 2017

Sie kommen ganz schön in der Gegend rum, die Drei von Echolot aus Basel. Clubs und Festivals in Ost, West, Süd und Nord (wir meinen damit: Europa) haben sie diesen Sommer und Herbst schon bespielt. Ihr zweites Langeisen mit Namen Volva ist zwischendurch bei Czar Of Crickets Productions Basel erschienen (6. Oktober). Echolot, eine neue Basler Band der Sorte «Aussergewöhnlich». Lucie W. hat ihr Ohr an deren Werk gelegt.

Album Review

«Das Echolot ist ein in der Schifffahrt verwendetes Gerät zur elektroakustischen Messung von Wassertiefen (Lotung)» – sagt Wikipedia (und Wikipedia hat ja bekanntlich immer recht). Ein unfassbar guter Bandname in Zeiten von We Butter The Bread With Butter und Bullet For My Valentine (keinerlei musikalischer Bezug soll hier angedeutet werden)! Kurz und einprägsam – und doch voller Assoziationen. Ausserdem ist dieser unfassbar gute Bandname auch noch Programm und passt wie Arsch auf Eimer.

Bei Echolot geht es um Tiefe – um verborgene Tiefen, um Schein und Sein – aber auch um Gegensätze und ums Ausloten (see what I did there?) von Extremen und Grenzen. Darum lassen sich die Drei von Echolot auch schwerlich in eine Genre-Schublade stecken – im Legacy-Interview sagt Gitarrist Lukas Fürer: «Wir sind psychedelischer als die meisten Stoner-Bands und zu doomig für die Psychedeliker…». Er macht im gleichen Interview auch deutlich, dass der Stil der Band alles andere als in Stein gemeisselt ist und eine Weiterentwicklung in viele Richtungen möglich und gewünscht sei.

Organisches Wachsen ist denn auch ein Konzept, das im Sound von Echolot deutlich spürbar ist. Die Songs kommen mir vor wie lebendige, eigenständige Kreaturen die sich ständig wandeln und ihre Gestalt ein klein wenig verändern, im Kern aber immer erkennbar bleiben.

echolot-2017-live

II, III, IV, V – kurze Titel für lange Tracks

2014 gegründet, haben Echolot 2016 über Czar Of Crickets ihr erstes Album herausgebracht, schlicht I betitelt (römisch eins, nicht «Ich» auf Englisch). Der direkte Anschluss ans aktuelle Album Volva ergibt sich durch die Benennung (oder Nummerierung) des ersten Tracks mit «II» - und der ist gleich mal grosszügige 12:36 Minuten lang. Das gesamte Album hat eine Länge von 55:50 Minuten – was nicht weiter erwähnenswert wäre, wenn nicht die Tracklist folgendermassen aussehen würde: «II», «III», «IV», «V».

Nun, Doom-Leute und Stoner-Fans nehmen das wohl hin ohne mit der Wimper zucken, Uneingeweihte fragen sich unweigerlich, ob solch ein über zehn Minuten langer Track nicht langweilig wird («IV» ist 16:39 Minuten lang, «V» 16:06). Die Antwort ist: Kann sein – muss aber nicht! Im Falle der vier Songs auf Volva gilt letzteres.

Alles ist im Fluss – alles ist im Entstehen
Der Einstieg ins Album ist fast bluesig, wirkt improvisiert gejammt und fühlt sich sehr entspannt an. Wir begeben uns also ganz gechillt mit Echolot auf Sinnsuche. Der Gesang setzt spät ein, aber gleich mit zweistimmiger Harmonie, und wirkt ebenfalls ungezwungen und locker. Trotz aller Entspannung wohnt dem Sound aber immer eine gewisse Melancholie und Schwere inne. Und es schrammelt auch schön, ganz in Stoner-Manier. Um (offensichtlich) wiederkehrende Songstrukturen kümmern sich Echolot eher weniger, alles wirkt im Fluss und im Entstehen, wie organisch gewachsen. Der Sound ist vielschichtig, wird mal aufgefächert und in die Breite (oder besser: in die Tiefe und Höhe gezogen), und bekommt mit dem Gesang einen kurzzeitig fast epischen Anstrich. Um dann wieder reduziert zu werden.

Echolot – Volva (Cover)
Echolot – Volva (Cover)

Assoziationen zu Indien und Funkgeräten

«III» schreitet streckenweise deutlich härter und grooviger voran als «II», aber der experimentelle Impro-Charakter bleibt. «IV» kommt mir träumerischer vor, unwirklicher und irgendwie luftiger als die anderen Tracks, obwohl auch dieser Songs seine harten und düsteren Momente hat. Den Abschluss der Scheibe bildet «V», ein Song der ganz zart beginnt und von ganz weit weg herzukommen scheint, mit dissonanten Klängen und Geräuschen, die in mir einerseits Assoziationen zu indischer Musik, andererseits zu Störgeräuschen bei Funkgeräten wecken.

In diesen Soundteppich wird der eigentliche Songanfang eingewoben. Das Ganze bleibt ein wenig im Ethno-Klang-Bereich, und etwa nach sechs Minuten setzen gesprochene Vocals ein – und hier muss ich jetzt doch noch ein bisschen fies sein: An der Aussprache den Englischen darf noch gefeilt werden, und die Intonation klingt für meine Ohren etwas zu bemüht dramatisch. Generell gefällt mir der äusserst sparsame aber sehr effektvolle und gezielte Einsatz des Gesangs aber besonders gut. Er wird meist in mehrstimmigen Harmonien platziert und lenkt und gestaltet die Atmosphäre des Sounds mit. Etwas mehr Gesang gibts auf «IV» ab Minute 10, und ab Minute 9 auf «V» gar auf Latein (im Legacy-Interview sagt Lukas dazu genaueres; Gwunderfitze können es dort nachlesen).

Starke visuelle Elemente vom vierten Mann

Ich habe natürlich auch den Begriff «Volva» auf Wiki gesucht und folgendes gefunden: «Die Volva (Scheide) ist eine häutige oder wulstartige Hülle, die die Fruchtkörper mancher Pilzarten umgibt.» Bei «Volva» habe ich zuerst (natürlich) an die weiblichen Geschlechtsorgane gedacht. Echolot scheinen sich aber eher auf die «Hülle» zu beziehen – auch dazu erzählt Lukas einiges im erwähnten Interview.

Last but not least finde ich es bei einer Besprechung zu Echolots Universum wichtig zu erwähnen, dass bei der Truppe ein weiterer Künstler mit an Bord ist, der nicht im musikalischen, sondern vor allem im visuellen Bereich tätig ist. Es lohnt sich daher auch, ein Auge auf die Website und andere visuelle Elemente der Echolot-Welt zu werfen. Das Albumcover von Volva ist übrigens schön bunt und zeigt ein lustiges Tierchen (ich rate mal: irgendein Krebsviech?) von unten. Noch eine Wasseranspielung, vermutlich.

Volva ist ein Album zum Abtauchen und Eintauchen, zum Bilder vom Weltall und der Tiefsee entstehen lassen – zum Mitdenken oder auch nur Mitfühlen. Wer Partysound oder was zum Mitgröhlen sucht, sollte hier (gefälligst) seine klebrigen Finger davon lassen.

Play Video

Echolot – Volva

(Czar Of Crickets Productions, NonStopMusic, PlasticHead) ist am 6. Oktober 2017 als CD, Doppel-LP und digital erschienen, erhältlich u.a. im Czar Shop.