Meister Lampe & Funky Notes – Luv Compilation: How deep is your Luv?
Die beiden Basler DJs und Producers Funky Notes & Meister Lampe bringen mit ihrer Luv Compilation namhafte deutsche MCs auf eine Scheibe und damit ein Stück weit auch nach Basel. Eine Scheibe, die Türen öffnet und unbedingt gehört werden muss. Eine Liebeserklärung von Noé Herrmann.
Noé Herrmann
Zu Beginn sei zu sagen, dass ich deutschsprachigen Rap zwecks Ordnung im eigenen Hirn-Archiv immer in eine überschaubare Anzahl Kategorien unterteile. Diese sind wiederum mit gewissen Kriterien behaftet, damit sie in der hierarchischen Anordnung der Dopeness in diesem Archiv ihren Platz finden. Vergleichbar mit Kriterien der Fahrzeuge bei Autorennfahr-Games im Internet wie «Speed», «Handling» oder «Acceleration», weise ich diesen Kategorien jeweils mehr oder weniger Kritikpunkte wie «Swag», «Aussage» oder «Technik» zu.
Da wäre beispielsweise der Gangsta-, Street- oder Battle-Rap, der vor allem in den Bereichen Technik und Swag brilliert, während er in Sachen Aussage oft eher schlecht dasteht. Oder umgekehrt den so geschimpften Studenten-Rap, der meist mit grossartigen politischen oder gesellschaftlichen Aussagen triumphiert, aber sich, was den Swag betrifft, oft sehr schwertut.
Beide dieser Kategorien haben ihre Vorzüge, aber beide haben auch ihre Nachteile. Sehr entscheidend ist dabei der Umgang mit Sexualität, die meiner Meinung nach zum HipHop dazugehört wie Sneakers, DJs und Graffiti. Im Street-Rap ist Sex zwar allgegenwärtig, wird aber sehr oft auf eine sehr ungesunde Art und Weise thematisiert und angepriesen. Frauen werden zu Bitches, Männer zu Vollidioten. Gleichzeitig ist Sex im eher intellektuellen HipHop oft schlicht nicht anwesend, weder in den Texten noch in den Beats. Diese Abwesenheit ist wahrscheinlich der Hauptgrund, weshalb diese Art von Rap in Sachen Swag so schlecht abschneidet.
Muss das sein? Kann man im Rap eigentlich Sex, Erotik und Liebe nicht einfach intelligent, stilvoll und gleichzeitig sexy behandeln?
Doch, kann man.
Funky Notes und Meister Lampe gehören in meinem Deutschrap-Hirn-Archiv zu einer grossartigen, eher jungen Kategorie, die ich noch nicht so ganz genau umreissen kann. Sie legt einen hohen Wert auf Beats, die – wegen der Faszination der beiden Producer für die alte Schule – meistens mit Soul-, Jazz- und Funk-Samples sowie alten MPCs hergestellt werden. Oft sind die Beats sehr bassig und relativ simpel; sie erinnern an Genres wie Downtempo oder TripHop, werden aber durch oftmals leicht verzerrt klingende Raps aufgelockert, die ich inhaltlich eher dem intellektuellen HipHop zuordnen würde. Aber – und das macht diese Kategorie so fresh – eben nicht nur!
Der alltägliche Struggle mit dem System, philosophische Auseinandersetzungen mit der Gesellschaft und sich selbst werden darin genauso abgehandelt wie Abhängen mit Homies, Kiffen, schöne Turnschuhe und eben … Sex. Und das Ganze auch noch sprachtechnisch anspruchsvoll und auf guten Beats gebaut. So muss das sein.
Sexual Healing – durch astreine Beats & Raps
Die beiden Jungs legen nun also mit ihrer Luv Compilation ein diesen Kriterien entsprechendes sechs- bzw. zwölfteiliges Hyper-Brett hin, das Rap-, Beat-, Aussage- und Technik-mässig in der ersten Liga des Deutschraps mitspielen kann und einfach one fucking Sensation ist vom Swag her.
Sechs liebevoll handgefertigte Beats, jeweils ein mal bespittet, ein mal instrumental, gepresst auf Vinyl und verteilt auf eine A- und B-Seite, wie sich das für Conaisseurs so gehört. Zu den auserwählten Gast-MCs gehören Grössen wie Edgar Wasser*, Rino Mandigo oder Veedel Kaztro, die im deutschsprachigen Rap-Universum Vorreiter sind in der vorhin umschriebenen neuen HipHop-Avantgarde. Somit sind bei dieser Compilation nicht nur die Beats astrein – was bei Funky Notes (Bild unten, live) und Meister Lampe (Bild oben, live) sowieso immer der Fall ist – sondern auch die Raps.
Die Liebe, nach alter Black-Music-Manier umbenannt in Luv, wird dabei auf verschiedenste Arten thematisiert und umschrieben. In der Single «Tindermatch feat. LUX», dessen sensationelles Video auf YouTube bereits über 17 000 Views aufweist (siehe unten), verschmelzen Liebe und Gesellschaftskritik: Angepriesen wird eine offenbar sehr begehrenswerte Frau, weil sie die besten Pics auf Instagram und Pinterest hat und damit der ultimative Tinder-Match ist. Genauso im Track «Konge Forever feat. Veedel Kaztro», wo als Lösung für das weltweite Hunger- bzw. Überfluss-Problem einfach «Pussy-Essen» angepriesen wird. Eine Kritik an Nestlé, McDonald's und Co., und gleichzeitig ein etwas direktes, aber durchaus anständiges Angebot zum Cunnilingus.
Alles in allem ist diese Luv Compilation also ein grossartiges Album in einer grossartigen Rap-Kategorie. Und es meistert erst noch den schwierigen Part, nämlich den richtigen Umgang mit Sex. Es ist im übertragenen Sinne dasjenige Auto, das man sich erst gegen Ende eines Internet-Autorennfahr-Games leisten kann, da es in allen Kriterien brilliert und somit alle anderen locker überholen wird. In meinem Deutschrap-Hirn-Archiv ist diese Scheibe auf jeden Fall hierarchisch ganz weit oben dabei.
Meister Lampe & Funky Notes – Luv Compilation
(Vinyl Digital) ist am 24. März 2017 als Vinyl und digital erschienen mit einem Beitrag der Jugendkulturpauschale von Kultur Basel-Stadt auf Empfehlung des RFV-RegioSoundCredit.