Missling – Murder: It’s alive!
Misslings erstes Musikvideo ist schon einige Zeit im Kasten, nun folgt das Debütalbum. Unser Vertrauensmann in Köln hat reingehört und draufgeschaut.
Linus Volkmann
Schon die erste Begegnung mit der Basler Band Missling ist etwas, das man nicht so schnell vergisst – so viel Charisma, Exzentrik und Wärme schreiben sich einfach nachhaltig ins Gedächtnis.
Bei mir geschah dies bei einer DemoClinic des RFV Basel vor etlichen Jahren. Ich war als Juror dieser Newcomer-Gala geladen und hörte plötzlich verdammt interessante Musik. Sie klang nach Post-Rock der Neunziger, der Gesang fand sich nach typischer Indie-Art sehr in den Hintergrund gemischt, ein lässiges Geschrammel eben. So far, so good.
Doch dann tauchten auch noch die Typen dahinter auf: Sänger Silvio Grimm a.k.a. Sif wirkte bereits betrunken, lenkte seinen elektrischen Rollstuhl allerdings noch recht souverän. Der Rest der Band besass einen etwas moderateren Anschein, strahlte aber ähnliches Star-Potenzial aus.
Missling ist mit allen geilen Macken die Antithese zu einer klassischen Boy- beziehungsweise Girl-Band. Dennoch verkörpert jedes Mitglied eine sehr unterschiedliche Figur, wie man sie eben aus der «Bravo»-Blaupause kennt (fast): die grössere Schwester, das toughe Drummer-Girl, der geheimnisvolle Junge, der irre Künstler.
Allein sich diese Zuschreibungen auszudenken, macht Spass. Doch der hat natürlich nur eine Berechtigung, solange auch die Musik hält, was die Kombination in Aussicht stellt. Bei Missling war das so und daher durfte man sich wirklich freuen, als vor einiger Zeit schon von dieser ersten richtigen Platte gekündet wurde.
Viel zu eigen, um in Stereotpye zu verfallen
Jetzt ist sie da – und es muss gleich gesagt werden: Auf die hier bereits abgegebene Sound-Beschreibung passt das Album eigentlich überhaupt nicht mehr. Missling haben sich – so schrecklich doof diese Musikjourno-Floskel auch klingt – «neu erfunden». Auf der LP Murder geht es tief in die Siebziger, kreischende Gitarren, abgedrehte Texte über Space & Co. Die Mischung aus Stoner Rock und 70s-Glam zeichnet sich bei vielen Bands durch etwas sehr Stereotypes und Muckermässiges aus.
Doch aufgrund dieser einmaligen Konstellation von Missling kann bei ihnen gar nichts wirken wie ein Stereotyp, dafür ist diese Band viel zu eigen. So gelingt es ihr tatsächlich, aus diesem antiquierten Rumpel-Genre einen ganz persönlichen Entwurf rauszuschälen. Die Stücke sind mitreissend und anrührend – mitunter beides gleichzeitig.
Verwiesen sei zudem noch auf das Cover; das stammt aus dem Werk von Frontmann Silvio Grimm, der über die Musik hinaus auch noch als bildender Künstler tätig ist. Das Motiv stellt eine Hommage an trashige Horror-Comics dar und ist allein schon wert, die Platte dazu im Schrank zu haben. Doch Murder ist kein Album für die Galerie. Das Ding hier lebt, atmet, röchelt und fiept. Man muss es einfach lieben.
Missling – Murder
(Eigenverlag, Sixteentimes Music) erscheint am 1. Dezember 2017 als LP und digital.