We Invented Paris – Catastrophe: Tschüss Folk, hello Elektronik

Reviews
We Invented Paris © Karine & Oliver 2017
We Invented Paris © Karine & Oliver 2017

Erfolg ist schön, aber auch anstrengend: Weshalb sich We Invented Paris eine Auszeit gegönnt haben. Jetzt meldet sich das Musikerkollektiv, dessen Wurzeln in Liestal und Basel liegen, mit dem dritten Album Catastrophe zurück. Und zeigt sich darauf nicht nur erfrischt, sondern auch mit neuem Sound.

Album Review / RegioSoundCredit

Nach zwei Alben (als letztes Rocket Spaceship Thing, 2014) und einer ausverkauften Tournee sehnten sich die Mannen von We Invented Paris nach ein wenig Ruhe. Weshalb sich das Musiker- und Künstlerkollektiv um Flavian Graber (32) in einen Winterschlaf fallen liess. Dieser begann Ende 2014 und sollte letztlich zwei Jahre andauern. «Dadurch hatte ich viel Raum und musste mich weder darum kümmern, was ich auf den sozialen Medien poste noch, wo wir als Nächstes spielen», erzählte Graber Mitte August in einem Interview in der Sendung Bsounds beim Basler Radio X. Stattdessen hatte er sowohl genügend Zeit als auch Musse, neue Songs zu schreiben. Und verspürte dabei nicht zuletzt das Verlangen, sich und seine Musik weiterzuentwickeln.

Dabei entstanden siebzig Songs, die sich vom bisherigen Sound nicht völlig verabschieden, aber deutlich distanzieren. Insgesamt 13 Songs haben den Cut überlebt und zieren nun Catastrophe, das dritte Album der Formation. Auf dem brandneuen Longplayer setzen We Invented Paris nicht – wie bis dato – auf freundlichen Folk-Pop, stattdessen bevorzugen sie es, durch elektronische und tanzbare Klangwelten zu streifen. Folgerichtig zeigen sich die Songs denn auch nicht mehr von akustischen Gitarren, sondern vom Keytar geprägt. Das Umhängekeyboard, das vor allem während dem New Wave und der Neuen Deutschen Welle en vogue war, hat sich zu Grabers neuem Lieblingsinstrument gemausert.

We Invented Paris © Karine & Oliver 2017
We Invented Paris © Karine & Oliver 2017

Zwischen Melancholie, Soul und Disco

Dementsprechend verbreitet Catastrophe vor allem viel 80ies-Feeling und weiss dieses gar mit ein paar Disco-Schlenkern anzureichern. Während der Opener «Looking Back» (Musikvideo) warm und entspannt wirkt und mit seinem melancholisch wattierten Sound sowohl an die längst verblichenen Dream Academy als auch an die noch sehr aktiven Depeche Mode erinnert, folgt das anschliessende «Fuss» zwar durchaus ähnlichen Pfaden, aber: Der Song gebärdet sich weitaus souliger und offenbart ein Flair für düstere und gleichwohl geschmeidige Momente.

Am ihrem früheren Klangkleid knüpfen We Invented Paris am ehesten noch mit «Air Raid Shelter», und siehe da: Der schwärmerisch beschwingte Track zählt zu den eingängigsten des Werkes. Nicht minder gefällig: Das am Brit-Rock rührende «Storm», das sich auf den letzten Liedmetern noch beim US-amerikanischen Spiritual «He’s Got The Whole World In His Hands» bedient, allerdings mit dem Aufruf zur Selbstverantwortung: «We've got the whole world in our hands» – also Wir statt Er.

Mit Catastrophe, dessen Lyrics vom globalen Desaster und der Passivität der Menschen erzählen, sind We Invented Paris ein Wagnis eingegangen. Eines, mit dem sie wohl den einen oder anderen ihrer Fans vergraulen dürften. Mastermind Flavian Graber hat den Sound des Kollektivs einer Radikalkur unterzogen, hin zu «retro-elektronischen Popmusik» (so die eigene Beschreibung). Ein mutiger Schritt. Und letztlich auch ein willkommener, denn: We Invented Paris haben merklich an Reife, Glamour und Groove zugelegt. Und das schlägt sich auf der Platte positiv nieder.

We Invented Paris – Catastrophe (Cover)
We Invented Paris – Catastrophe (Cover)

We Invented Paris – Catastrophe

(SpectacularSpectacular, Cargo, Finetunes) ist am 25. August 2017 als LP, CD und digital mit einem Beitrag des RegioSoundCredit erschienen.

Play Video
Play Video