Meister Lampe – Orb: Around The World, Downtempo

Reviews
Meister Lampe © Jonas Webe 2017
Meister Lampe © Jonas Webe 2017

Der Frühling hockt auf dem Fenstersims und die Zugvögel sind zurück – diese Idioten! Sie kommen aus der warmen Ferne zurück und wir würden am liebsten in die Welt hinaus, dorthin, wo die Zugvögel gerade gewesen sind. Reisen, andere Kulturen, andere Gewässer, andere Biere, andere Klänge, andere Orte, wo Superfood-Früchte reif von den Bäumen direkt in unsere Mäuler fallen!

Album Review / RegioSoundCredit

Fernweh und Umherstreifen? Kein Problem. Geht auch zuhause. Meister Lampe, Basler Beat-Produzent der jungen und unverkrampften HipHop-Schule, schickt uns mit seinem Solo-Album Orb einmal drumherum um die Kugel. Instrumental- und Vocal-Samples aus neun Ländern oder Regionen der Welt hat Meister Lampe aus seinem mysteriösen Sound-Fundus zusammengesucht, zerschnippelt, durch die Geräte gejagt und aus dem Keller noch ein paar gut gelagerte Beats raufgeholt als Taktgeber.

Heraus gekommen ist ein schmuckes, unaufgeregtes und deepes Album, das mit Fernweh und Umherstreifen in südlichen Landstrichen ebensoviel zu tun hat wie mit kreativem Eklektizismus, will sagen: Man nimmt, was an Sounds in der langen und auch mal verschollenen Musikgeschichte der Welt eh schon da ist – aber nicht an der polierten Oberfläche –, formt es um, gibt da noch einen Effekt und dort noch einen Schnipsel dazu und füllt die Masse in eine neue Kuchenform. Ab in den Ofen und dann auf Vinyl. Und ein wunderschönes Cover vorne drauf.

it’s a small world – It’s a big world!

Klingt einfach, ist aber hohe Kunst, wie sie etwa auch das Kollektiv Alma Negra für den Dancefloor beherrscht. Around the World heisst ja nicht einfach alles zusammenmixen, was gerade nach trendy oder vintage Sushi-mit-Guanábana-Litschi-in-Kinshasa-Exotik klingt, sondern die Essenz zu finden, die geheimnissvollen Innenkammer von Sounds und Vocals – und dann für 2018 neu aufzubacken. Und das gelingt Meister Lampe mit den neun Tracks auf Orb mit verschwitzter Leichtigkeit.

Übrigens: Plattencover des Jahres, vom jamaika-stämmigen Künstler und Designer Taj Francis. Musik: Der Opener «Can’t Take It No More» ist gerade mit einem Musikvideo auf die Reise geschickt worden (RFV-Video of the Week). Das Vocal-Sample ist fast 50 Jahre alt und stammt im Orginal von einer A-Cappella-Truppe aus New York. Gefunden hat Simon Selinger aka Meister Lampe den Sound auf einer Single, rein zufällig auf dem Flohmarkt des Basler Petersplatz. It’s a small world.

Papperlapapp, it’s a big world! Mit dem Track «Huang Shan» geht die Reise auf Orb nach China, mit «Marsala» in den arabisch geprägten Mittelmeerraum, auf «Habanera» in die Karibik, mit «Üsküdar» in die Türkei und mit «Lagos» nach Nigeria. Die Tracks schlurfen meist downtempo durch die Gebüsche, swingen auch mal oder drehen mit dem Deckenventilator die dicke Luft in der Lounge müde. Vibes, Baby! Vocals werden wie Königinnen behandelt und die perkussiven Elemente und der Beat tanzen dazu mit gebührendem Abstand. Das packt nicht immer sofort, bleibt dafür lange im Blut.

Apropos Beats: In Basel gibt es ordentlich Heads im Beatmaker-Geschäft, etwa Thomas «Jakebeatz» Hof, Tom Keenig, Funky Notes, DJ Tron, Johny Holiday und einige mehr. Alle haben ihre eigene Handschrift. Meister Lampe hat in den letzten zwei Jahren vorab in Deutschland für Rapper wie Johnny Rakete, Edgar Wasser, LUX oder Veedel Kaztro produziert, in Basel etwa für La Nefera oder Arbajo Jairus (und früher mal für die Basler Rap-Crew Stressköpf).

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Subtil, überraschend und zeitlos

Vor einem Jahr hat Meister Lampe mit seinem Brother in crime, Funky Notes, die Luv Compilation herausgebracht – und nun geht er erstmals solo und prominent raus. Andere mögen die bombastischeren, bretzligeren oder auch knackigeren Beats schnitzen, Meister Lampe agiert dafür subtiler, überraschender und manchmal verdammt zeitlos. Orb beweisst das; es hätten auch gerne vier oder fünf Tracks mehr sein können (denn 25 Demos bildeten den Pool für die Auswahl der Tracks auf Orb).

Doch wenn jetzt, im aufstartenden Frühling, eine Rauchschwalbe verdächtig lange vor dem offenen Fenster seine Kreise zieht, während gerade Orb im lauen Licht auf dem Plattenteller dreht, kann es gut sein, dass die Schwalbe denkt: «Moment mal, den Sound hab ich doch schon mal gehört? – Genau! In Lagos, Nigeria, letzten Winter, hach ...» – oder so. Zugvögel wissen eine Menge mehr als wir, abgesehen davon bauen sie ihre Wohnung selber. Deshalb: Sorry für das «Idioten» am Anfang. Ich leg gleich nochmals «Lagos» auf.

Meister Lampe – Orb (Cover)
Meister Lampe – Orb (Cover)

Meister Lampe – Orb

(Okwow Records) ist am 6. April 2018 als Vinyl und digital mit einem Beitrag des RegioSoundCredit erschienen. Erhältlich im Plattenhandel und hier.