The Lombego Surfers – Heading Out: Ruhiger werden? Wozu.

Reviews
The Lombego Surfers © Matthias Willi 2017
The Lombego Surfers © Matthias Willi 2017

«The movie’s not over till everybody’s dead.»
Denis Johnson, Tree Of Smoke (Ein gerader Rauch, Roman)

Album Review / RegioSoundCredit

Alle vier Jahre etwa, im zwitschernden April, kommt eine neue LP des Basler Garage-Rock’n’Roll-Trios raus, meist pünktlich zum Record Store Day, dem höchsten Kirchgangtag der kaufkräftigen Vinyl-Gemeinde (2010: Still Got The Night, 2014: Ticket Out Of Town). So auch dieses Jahr. Heading Out, das elfte Album der Lombego Surfers in drei Jahrzehnten, ist am 21. April 2018 nachmittags im Platton Recordstore in Basel und später in der Kaschemme Basel bei mitternächtlicher Traumkulisse trotz superharter Live-Konkurrenz (75 Jahre LSD am Hafen für die Kulturschickeria mit Spesenkonto, DJ Krush für die Electronic-Heads in der Kaserne, Kalles Kaviar für die Ska/Rocksteady-Fraktion im Hirscheneck, etc.) nass getauft worden. Publikum: 180 neue und alte Fans von 16 bis 66.

Und zum allerersten Mal überhaupt liefern die fabelhaften Lombegos zum Release auch einen offiziellen Musikvideoclip* ab: «With Me», genau (RFV-Video of the week #17): Schnell gemacht, schwarz-weiss gedreht, Verstärker ein und wieder aus, Drumsticks hoch und wieder runter, keine Schnörkel, aber auch nichts zuwenig (Seele zum Beispiel).

Logo der Lombego Surfers von Dirk Bonsma
Logo der Lombego Surfers von Dirk Bonsma

Zusammen unschlagbar – ohne den andern nicht denkbar

30 Jahre ist die Band nun im Garagistengeschäft, Anthony «Tony» Thomas (git, voc), Pascal Sandrin (bs, back voc) und Olivier Joliat (dr, seit 2006) sind Motor, Getriebe und Karrosserie, kein Ölverlust. 30 Jahre hat sich nicht viel verändert: Der Sound ist das Image und das Image der Sound und sonst gibt’s nix (ausser feines Artwork und Merchandise sowie Tourneen zu den Fans): Garage, Surf, Voodoo, Rock’n’Roll, Proto-Punk, strictly Underground und immer auf der coolen Seite, ohne sich jemals bei Trends, Nischen-Hipster- oder Nerdtum angebiedert zu haben. Tony ist über 60, Pascal geht langsam darauf zu. Olivier hat noch reichlich Zeit. Zusammen sind sie unschlagbar und ohne den andern überhaupt nicht denkbar. Die Lombego Surfers: Ur-Charaktere des Garage-Rock’n’Roll-Undergrounds. Und sonst?

Ewige Unvernunft? Umgekehrtes Alzheimer? Verweigerung? Klar.

Neue Songs, viel Bewegung! «Everybody says I gotta calm down, but I won’t», erzähl mir nicht, was ich zu tun habe, ich machs sowieso nicht, stellt Tony im Song «Ain’t Gonna Calm Down» klar. Runterfahren ist nicht drin, ruhiger werden ebenso wenig. Dabei ist gerade dieser Song von einer aufgeräumten, federleichten Stimmung wie schon lange nicht mehr. Tonys Stimme klingt hier schon fast unbelastet fröhlich, die Drums zaubern eine totale Lässigkeit in den Flur und überhaupt: Ist der Song, dieses Don’t-tell-me-what-to-do! einfach ein alters-unmilder Teenage-Flashback? Ewige Unvernunft? Umgekehrtes Alzheimer? Verweigerung? Klar. Und einfach der grösste Spass auf Erden.

Kürzlich beim spätnächtlichen TV-Glotzen bei YouTube via Dead Moon («Walking On My Grave») und The Knack («My Sharona») und CCR («Bad Moon Rising») irgendwann bei den herzallerliebsten Undertones («Teenage Kick») und schliesslich bei den Bay City Rollers gelandet: «Saturday Night», 77-Teenie-Rock/Pop! Und gedacht: Eigentlich ganz nett, warum hab ich das damals als Teenager nur dermassen gehasst? Eben. Eben! 1977 kam Punk aus den Löchern und «Neat Neat Neat» oder «Sheena Is A Punk Rocker» passten da einfach besser. Allein schon wegen der Worte «Punk Rocker». Ausserdem hatten die Pop-Tussies alle Angst vor Punk und ich nicht.

... und nenn es nicht zweiter Frühling, Arschloch

Willkommen zurück: Heading Out hat ein paar ohrenfällige Neuerungen gegenüber den beiden letzten Releases: Etwas mehr Bluesrock-Flair und feinere Gitarrenarbeit sind deutlich spürbar («Heading Out», «With Me», «Creeps» etc. – und «Wrong Side Of The Tracks» ist eigentlich schon Classic Rock), eine Prise Rockabilly («Ready To Move»), zwei feine Instrumentals und insgesamt ein Leadsänger Anthony Thomas, der weniger röchelt und rumschnauzt als auch schon – und dafür richtig gesund singt. Aufgenommen hat die Band die zwölf 2–3-Minüter in nur vier Tagen wieder im One Drop Studio von Luc Montini in Basel (er spielt auch immer wieder mal Bass und prägt den Sound auf Heading Out wesentlich mit).

Und manchmal scheint gar das hymnenhafte der Rock’n’Roll-Mit-Shouter überdeutlich durch: «Ain’t Gonna Calm Down», «With Me», name it. Eine Qualität übrigens, die alle frühen Punksongs hatten, egal ob von Sham 69, Subway Sect, Buzzcocks, Undertones, Ramones, Generation X oder The Damned. Die Lombego Surfers reihen sich, schlappe 40 Jahre später und keine Minute zu früh, in diese Galerie ein, aber locker.

Eines war gerade an der Plattentaufe in Basel sehr deutlich im Raum: Es muss unglaublich Spass machen – noch mehr als all die Jahre zuvor – diese neuen Songs live zu spielen. Es ist da etwas von unbekümmertem Aufbruch zu spüren und nenn es nicht zweiter Frühling, Arschloch.

Alles in Bewegung also. Dieser Film ist noch lange nicht zu Ende. Und eigentlich ist diese Band unsterblich.

The Lombego Surfers – Heading Out (Cover)
The Lombego Surfers – Heading Out (Cover)

The Lombego Surfers – Heading Out

(Flight 13 Records, Deutschland) erscheint am 27. April 2018 als limiterte LP und digital mit einem Beitrag des RegioSoundCredit.

SRF3 Rock Special: Sendung vom 18.4.2018

«Tony, you rock» – Filmportrait des Lombego Surfers