Sam Himself – Power Ballads: «Ein Stück weit den Arsch gerettet»
Von einem der auszog (nach New York), kurz in die Heimat zurückkam (Basel), undank der Pandemie nicht mehr wegkonnte und kurzerhand die hiesige Musikszene aufmischte. Dabei war alles ganz anders geplant, wie Sam Koechlin aka Sam Himself dem RFV Basel verrät. Sein Debütalbum und die ausverkaufte Plattentaufe in Basel versprechen viel Tiefgang und nicht nur stimmliche Power.
Michael Gasser
Vor zwei Jahren galt Sam Himself noch als unbeschriebenes Blatt, jetzt ist der in New York ansässige Basler in aller Munde und setzt zum Höhenflug an. Zu diesem trägt nicht zuletzt sein im Oktober veröffentlichtes Debütalbum bei, das sich zurückhaltend arrangiert und dafür randvoll mit konsequenten Popmelodien präsentiert.
Sam Himself rückt zusehends ins Rampenlicht, was sich allein schon daran ablesen lässt, dass ihm die US-amerikanische Musikpostille Spin im Oktober ein Feature gewidmet hat. Dass in diesem zu lesen ist, dass der in New York ansässige Musiker mit Basler Wurzeln gedenke, mit seinen Songs die Welt zu erobern, überrascht ihn. «Woher die das haben, weiss ich nicht. Gesagt habe ich das auf jeden Fall nie.» Vielmehr freue er sich über jeden Erfolg und sei er noch so klein. «Schliesslich habe ich lange genug vor leeren Sälen gespielt», betont der Musiker und Songwriter, der eigentlich Sam Koechlin heisst.
Aus dem Nichts: Nominiert für die Swiss Music Awards
Zu seinen Erfolgen gerechnet werden darf nun auch sein erstes Soloalbum, Power Ballads, das am 8. Oktober 2021 erschienen und in der CH-Hitparade auf Platz 36 eingestiegen ist (und eine Woche später bei 46 steht; die EP Slow Drugs erschien bereits 2020).
Den Titel habe er gewählt, weil er sich nur zu bewusst ist, dass man mit Rockmusik im Jahr 2021 immer ein bisschen Gefahr laufe, in Klischees zu verfallen. «Oder in der Vergangenheit stecken zu bleiben.» Aber schwingt bei einem Titel wie Power Ballads der Pomp denn nicht schon mit? «Pomp, Pathos und diese Art von Ästhetik sprechen mich durchaus an. Aber nur dann, wenn das Ganze auch schlau umgesetzt ist», entgegnet Sam Himself, der 2021 für die SMA (Swiss Music Awards) nominiert gewesen (Best Talent) und in den vergangenen anderthalb Jahren vom Geheimtipp (zumindest) zur regionalen Musikgrösse herangereift ist.
Lockdown in Basel statt New York: Einsam und ziemlich verwirrend, trotz Nestwärme
Sein Umzug nach New York vor rund zehn Jahren habe ihm vor allem gelehrt, nichts für selbstverständlich zu erachten. «Es ist ein Geschenk, wenn sich jemand für meine Musik interessiert oder eines meiner Konzerte besucht», so Sam Himself.
Er ist sich nur zu bewusst, dass niemand in den USA auf ihn gewartet habe. «Es ist auch so, dass es ganz viele gibt, die das, was ich mache, noch viel besser hinkriegen und eine noch coolere Frisur haben als ich.»
Im März 2020 reiste Sam Himself nach Basel – in der Absicht, mit Anna Rossinelli zu touren. «Doch bereits nach dem ersten Konzert mussten wegen des Lockdowns alle weiteren Auftritte abgesagt werden. Und auf einen Schlag war ich in meiner alten Heimat gestrandet», erinnert er sich.
Eine Situation, die ihn mitunter überfordert habe. «Es war eine Zeit, die sich ziemlich einsam und ziemlich verwirrend anfühlte.» Und das, obschon er in der Region über ein «Riesennetzwerk» verfüge und dank Familie und Freunden immer Unterstützung, Schlafgelegenheiten und benötigte Instrumente erhalten habe.
Recording zwischen Airbnbs und Mutters Estrich
Letztlich entpuppte sich die herausforderungsreiche Phase inmitten der Pandemie als «glückliche Fügung». «Plötzlich verfügte ich über genügend Raum und Inspiration, um an meinen neuen Songs zu arbeiten. Mich damit zu beschäftigen, hat mir ein Stück weit den Arsch gerettet», erklärt Sam Himself.
Umständehalber habe er seine Lieder mehrheitlich im Alleingang eingespielt – und zwar in Airbnbs, aber unter anderem auch im Estrich seiner Mutter. «Ich war mir sicher, dass ich die Tracks im New Yorker Studio nochmals ‹richtig› einspiele. Doch zurück in den USA entschieden sich mein Produzent und ich, relativ viel von den Basler Demo-Aufnahmen direkt fürs Album zu übernehmen.»
Die in der alten Heimat gewonnen Erfahrungen hätten ihm aufgezeigt, dass es für seine Lieder oftmals keine Rolle spiele, ob er nun auf dem eigenen, billigen E-Piano klimpert oder ob er auf eine teure Fender Rhodes aus dem Studio zurückgreifen kann. «Who cares – solange der Song und das Arrangement stimmen», zeigt sich Sam Himself überzeugt.
Zehn Songs, die Dunkelheit in sich aufgesogen haben
Doch zum Album: Der Opener, «Brando», startet mit Streichern, die alsbald das Rampenlicht schier bräsigen Grooves von Bass, Gitarre und Drum Computer überlassen. Vollends entfaltet sich der Track jedoch erst, als Sam Himself zu singen beginnt – mit einem Bariton, der klingt, als ob er eben erst und eher unwillig den Laken entstiegen wäre. Das ist nonchalant und doch beeindruckend, was auch auf den ebenso überraschenden wie punktgenauen Liedschluss zutrifft.
Während das anschliessende «La Paz» wie ein leicht melancholischer Ritt durchs Nirgendwo anmutet, beweist sich die Single «Nothing Like The Night» erst fiebrig, dann wie schwelgerischer Pop vom Feinsten.
Als überaus gelungen erweist sich auch «Men In My Family», das wie die Erkenntnis nach einer Nacht voller schleppender Selbstreflexion wirkt. Das Werk präsentiert sich – auch umständehalber – karg arrangiert, was den Liedern bestens bekommt, weil sie dadurch den Raum erhalten, sich nach und nach zu entfalten. Wodurch ihre Ausstrahlung zum Tragen kommt. Es sind zehn Songs, die nachzuhallen verstehen, die Dunkelheit in sich aufgesogen haben und sich insbesondere als treuer Begleiter für späte Stunden eignen dürften.
Etwas wollen wir von Sam Himself noch wissen: Was bedeutet es ihm, Power Ballads im Parterre One taufen zu können? «Das wird ein Heimspiel – und ein grosses Fest», verspricht er. «Lampenfieber verspüre ich deswegen keines, aber eine grosse Energie.» Eine, die sich zweifellos nur positiv auf seinen Auftritt auswirken dürfte.
Dieser Auftritt ist seit dem 2. November ausverkauft.
Sam Himself – Power Ballads
(Taxi Gauche Records) ist am 8. Oktober 2021 als CD, LP und digital erschienen und u.a. hier erhältlich, sowie als LP und CD über Bandcamp, im Plattenladen oder bei Cede.ch.
Plattentaufe (ausverkauft)
12.11.2021 Basel, Parterre One, Basel
CH-Tour
05.11.2021 Hefenhofen TG, Live in the Green
06.11.2021 Luzern, Schüür
17.11.2021 Bern, Bienzgut Bümpliz
26.11.2021 Baden, Werkk Kulturlokal Baden
10.12.2021 St. Gallen, Grabenhalle
Weitere aktuelle Live-Daten auf der Website der Band (Band-App unten klicken / tippen).
Spin Magazine USA: 15 Minutes live