Laurin Buser - BACCHUS: ein Sampling von Einsamkeit und Ekstase

Reviews

In seiner frischen EP «BACCHUS» fängt Laurin Buser den Grossstadtvibe als kollektive Erfahrung ein – es geht um Ekstase, Drogen, kalte Nächte, Fernweh und die grosse Einsamkeit. Es geht aber auch darum, alles ein bisschen ironisch zu überziehen. Und so kommt es, dass «BACCHUS» trotz seiner Melancholie und Bitterkeit ein stabiles Stück Elektro-Pop ist, zu dem man auch tanzen kann.

Album Review

«BACCHUS» setzt auf die treibenden, schlichten Beats des Basler Produzenten Audio Dope (zuletzt released: Album ‚Gone‘ 2023) und die szenischen, prägnanten Lyrics von Bühnentalent Laurin Buser, der die Ambiguität des Alltäglichen einfängt. Die Kollaboration Buser-Audio Dope begann bereits auf einzelnen Tracks der «Schmuck» EP Busers. «BACCHUS» knüpft an diese Zusammenarbeit an. Mit dabei ist diesmal als Co-Produzent außerdem der Basler Bassist Raphael Scheiwiller. Dass das gut funktioniert, ist keine Überraschung.

«Nie genug» – vergebliche Avance Richtung Perfektion

Als Gott des Weins steht Bacchus wie kein anderer für Hedonismus und Ekstase. Als lebhaftes und impulsives Wesen spiegelt sich in den fünf eingängigen Songs der Charakter des Buser. Der hat «Nie genug». Dieser erste Song der EP beschreibt Überdruss und Widerspruch– obwohl nichts fehlt, ist es „immer noch nie genug“. Bemerkenswert: Das ‚nie‘ setzt den absoluten Charakter der Unersättlichkeit voraus – es wird niemals etwas geben, das genug sein kann. Im dazugehörigen Musikvideo sitzt Buser am Empfang eines Fitnessstudios, im Intro wird die Davidstatue eingeblendet. Seine überdimensionalen Hände und der perfekte, auch etwas zu grosse Kopf, seine Schönheit und Vollkommenheit stehen im Kontrast zu Busers sichtbarer Resignation, der Mittelmässigkeit und Künstlichkeit seiner Umwelt – er isst eines dieser Triangle-Supermarkt-Sandwiches, die sich gekühlt vermutlich 12 Monate halten und leidet sichtbar unter seiner Existenz. Neben dem gelangweilten Buser feilen die Bodybuilding Ikonen Helle Trevino (L.A.) und Jay Fuchs (CH) an ihren stählernen Körpern (genug Muckis unmöglich), bis Buser seine Tresenexistenz aufgibt und beginnt, zu den treibenden, melodischen Beats von Audio Dope durch das Studio zu tanzen. Auch die Bodybuilderinnen geben ihr stoisches Schwitzen daraufhin auf. Das ist ansteckend.

Laurin Buser - «Nie genug»

(Starring Helle Trevino & Jay Fuchs) [prod. by Audio Dope]

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Italo-Sehnsucht und Großstadtflucht

Genauso eingängig ist der naiv-romantische Song «Taxi nach Rom» – die Beats sind fokussiert und dynamisch, Buser beschreibt das perfekte Fernweh: selbst der Nebel ‚rennt am Boden/als wolle er hier nur fort‘, und auch der Wind dringt nur in Busers Jacke, um Schutz zu suchen. Auf diesen Zustand gibt es nur eine Antwort: Italien, und zwar Rom. Denn da, wo Buser herkommt, hat er ‚ja eh nur noch geweint‘. Das ist massiv kitschig und macht grossen Spass. Und ganz ehrlich, in Italien ist wirklich alles ein bisschen besser. In «Taxi nach Rom» steht die ewige Stadt für das Ende von Stress, schlechtem Wetter, Downs und Sorgen. Passend: im dazugehörigen Video lässt Buser sich von einem ‚Taxi‘ mitnehmen – es handelt sich um einen Roller, das Taxi-Schild ist am Fahrerhelm befestigt. Die Fahrt führt durch die Alpen, Buser macht Kaugummiblasen und weint vom Fahrtwind. Da kommt Fernweh auf.

Laurin Buser - «Taxi nach Rom»

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«Zürich» - Ein Hoch auf die Banalität des bourgeois bohemien 

In «Zürich» geht es um ein lyrisches ‚Du‘, besser gesagt um den unliebsamen Prototyp des Grossstadtyuppies, der tagsüber brav buckelt, um dann abends im Rausch zu versinken. Nur so ist die Banalität des eigenen Lebens aushaltbar. Währenddessen steigen die Mieten, der Stress wird zur Belastungsprobe – aber das ‚Du‘ weiss, dass ‚wenn man sich nicht quält, wird sich doch alles nur verschlechtern‘. Trotzdem erhebt Buser in «Zürich» nicht den moralischen Zeigefinger – was schon allein unmöglich ist, weil Audio Dopes Beats so einen guten Drive haben. Viel eher handelt es sich um ein ironisches ‚Cheers!‘ auf die Absurdität und Arroganz unserer Realität.

Spiel mit Spannung und Beatwechseln

«Im Schatten des Meteorits» ist sphärischer, ruhiger. Zum minimalistischen Sound von Audio Dope, im Intro mit zarten Vocals überlegt, beschreibt Buser melancholische Szenen. So puristisch der Sound auch ist – im Schatten des Meteorits ist Buser ‚nichts als ein Hedonist‘. Kann das sein?

Der letzte Song «Dalì» spielt mit der Spannung von Beatwechseln und (metrischen) Überraschungen – ‚Salvador Dali ist mein Papa‘.  Gar nicht lange ist es her, dass Forscher Knochen aus Dalis Grab ausgraben mussten, um einen Vaterschaftstest mit einer Erbanwärterin zu machen. Ergebnis: Dali hatte gar keine Kinder. Auch der Song ist komplex, auf musikalischer wie auf poetischer Ebene, trotz dessen oder gerade deswegen ist der Flow besonders cool.

«BACCHUS» schickt uns in fünf Tracks von der griechischen Mythologie in die Grossstadt, von Zürich nach Rom und in den Schatten des Meteorits, der lässige Elektro-Pop-Sound von Audio Dope steht auf spannende Art im Widerspruch zu den ausdrucksstarken Texten von Laurin Buser – und davon bekommen wir immer noch nie genug. 

Laurin Buser - BACCHUS, 2023
Laurin Buser - BACCHUS, 2023

Laurin Buser - BACCHUS
Der Digital Release ist online ab dem 24. November 2023. Unterstützt wurde die Platte durch den RegioSoundCredit 2018/3. 

Live
Laurin Buser ist als Spoken Word Artist gemeinsam mit Fatima Moumouni in deer Produktion COLD in den nächsten Monaten in Basel, Bern und Zürich zu sehen. Die Daten gibt es HIER

Laurin Buser

Laurin Buser © 2017
Laurin Buser © 2017
27/04/2022

Beiträge
3 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2018
5 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2016

About Marie Suhm

Marie Suhm (*1996) lebt, studiert und arbeitet in Berlin. Schon immer ist sie musikbegeistert: Früh wurden Rocko Schamoni Alben auswendig gelernt und mitgeträllert, CDs von mongolischen Obertonsängern gekauft, Peter Fox Konzerte gefeiert und bei Marina and The Diamonds Teenie-Gefühle gelebt. Zuletzt folgten Miel de Montagne, Kaytranada und Anna Erhard in Berlin. Geliebt wird, was Humor beweist, gute Laune macht, aneckt und ins Ohr geht.