Sam Himself - Never Let Me Go: Im Einklang mit der tosenden Gefühlswelt

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Sam Himself © Stefan Tschumi
Sam Himself © Stefan Tschumi

Aus Sicht von Radio Télévision Suisse, kurz RTS, ist Sam Himself der ungekrönte «King of Tears». Es ist ein Übername, dem der Basler auf seinem zweiten Longplayer «Never Let Me Go» nicht nur Folge leistet, sondern auch gerecht wird.

Album Review

Im März 2020 reiste Samuel Koechlin alias Sam Himself von seinem langjährigen Wohnort Brooklyn in die alte Heimat Basel, um mit Anna Rossinelli zu touren. Doch der Lockdown durchkreuzt sämtliche Pläne und zwang den gestrandeten (und damals noch weitgehend unbekannten) Künstler dazu, sich in neue Lieder zu vertiefen. Diese sollten später die Grundlage zu seinem im Oktober 2021 veröffentlichten Debütalbum «Power Ballads» bilden, das bis auf Platz 36 der Schweizer Albumcharts vordrang.

Sam Himself hat einen Lauf

Dank seiner Mischung aus Pathos, karg arrangiertem Indie-Pop und einer gehörigen Prise Pathos ist Sam Himself mittlerweile fixer Bestandteil der Schweizer Musikszene. Was sich unter anderem daran ablesen lässt, dass er im vergangenen Jahr im Vorprogramm von Joss Stone spielte, gemeinsam mit dem Basler Sinfonieorchester (Hier entlang zum Video) auftrat und bei den Swiss Music Awards für die Kategorie als «Best Crushing Newcomer» sowie für den Basler Pop-Preis 2022 nominiert war. Fakt ist: Sam Himself hat einen Lauf, dem er jetzt mit seinen zehn neuen Songs weiter Auf- und Antrieb verleihen möchte. Im Vergleich zum eher düsteren und nach innen gewandten Vorgängeralbum dreht sich «Never Let Me Go» um eine Welt, in der sich – nach abklingender Pandemie – wieder Studios, Bühnen und Tanzflächen betreten lassen.

kein wildes Jubilieren

Wer sich die neusten Videos von Sam Himself zu Gemüte führt, wird allerdings rasch zur Erkenntnis gelangen, dass der Musiker deswegen keineswegs in wildes Jubilieren verfällt, im Gegenteil:

«You need a drink first before you sing
You’re a complicated man»

singt der Musiker mit einer Stimme, die gleichermassen verschlafen wie verkatert klingt. Der Song heisst «Mr. Rocknroll», setzt auf verhaltene Beats und pendelt zwischen Weltschmerz, Selbstironie und der Erkenntnis, dass es sich halt aufzuraffen gilt. Passend dazu sieht man Sam Himself durch ein leeres Café tänzeln und torkeln – mit einem Gesichtsausdruck, der unter anderem von Übermüdung, Widerwillen und Showmanship erzählt.

Play Video

In Video zum Titeltrack «Never Let Me Go», einer Ballade im Herzschlagtempo, jagt Sam Himself dann der isländischen Vogelwelt nach, verrenkt sich vor einem Leuchtturm und lässt sich in dieser Abgeschiedenheit auf die Knie fallen.

«Break my heart until it stops»

fleht er und und versucht, Schwermut, Einsamkeit und seine tosende Gefühlswelt in Einklang zu bringen.

Play Video

Bloss nicht Loslassen

Gemeinsam ist den zehn Stücken, dass sie ein mittleres Tempo anschlagen, nicht zu langsam, aber auch nie mit Vollgas. Während sich der Opener «Strangelove» sanft treibend präsentiert und mit einem dichten Klangteppich aus Synthesizern aufwartet, wirkt das anschliessende «Baby’s Eyes» drängender und entpuppt sich als aufputschende, klar strukturierte und auf Eleganz bedachte New-Wave-Hymne. «Golden Days», zu dem ebenfalls ein Video existiert, zelebriert Momente der Nostalgie und verbindet diese mit der flehentlichen Aufforderung: «Don’t stop now». Immer schön Weitermachen und bloss nicht Loslassen, lautet folgerichtig auch die Devise von Sam Himself.

Ein Gemälde voller Emotionen

Produziert hat das Album der New Yorker Daniel Schett, der auch schon mit Arto Lindsay oder Bonnie Prince Billy kollaboriert hat und ein langjähriger Weggefährte von Sam Himself ist. Zusammen haben sie dem Werk eine geschmeidige Note verpasst und dafür gesorgt, dass ein stimmiges Set entstanden ist, bei dem kein Track komplett aus der Art schlägt und obendrein ein homogenes Klangbild entsteht. Dieses bietet auch Platz für «Heartland», das seine Seelenverwandtschaft mit Springsteens «Dancing In The Dark» nicht wirklich versteckt. Oder für «Blue Mountain», dessen fein ziselierte Gitarrenarbeit mitunter an Ry Cooders «Paris, Texas» erinnert, sich aber um einiges getragener zeigt.

Das alles führt zu einem Album, das sich seiner Hörerschaft nie aufdrängt, sondern eher Schritt für Schritt erschliesst. Wer sich auf die kraftvollen und zugleich zerbrechlichen Lieder auf «Never Let Me Go» einlässt, wird mit einem Gemälde voller Emotionen belohnt, das auf grelle Farben verzichtet und auf Understatement macht. Doch unter der Oberfläche brodelt es – und zwar erheblich.

Sam Himself - Never Let Me Go
Sam Himself - Never Let Me Go

Sam Himself - Never Let Me Go
Das Album erscheint am 27. Januar 2023 bei (Sony Music / Taxi Gauche Records) und kann als LP und CD im Shop bestellt und auf allen Plattformen gestreamed werden. Unterstützt wurde die Platte durch den RegioSoundCredit 2022.

LP Verlosung
Die Verlosung ist abgeschlossen

Live
Sam ist im Februar in den Schweizer Clubs mit Band unterwegs. Basler Zwischenhalt ist am
18. Februar 2023 in der Kaserne
Danach geht es noch für ein paar Gigs nach Deutschland und Österreich

Alle Daten HIER

Sam Himself

Sam Himself © Stefan Tschumi
Sam Himself © Stefan Tschumi
03/11/2023

Beiträge
4 000 CHF | RegioSoundCredit Tournee | 2023
4 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2023
7 500 CHF | RegioSoundCredit Tournee | 2023
4 000 CHF | Nomination Basler Pop-Preis | 2022
8 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2022
3 000 CHF | RegioSoundCredit Tournee | 2020

Pop / Indie / Rock / 2020 / 2022 / 2023

About Michael Gasser

Hat seine Liebe zur Musik mal zu seinem Job gemacht und beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit Pop, Rock und Folk. Der frühere Surprise-Chefredaktor und Redaktionsleiter des Kulturmagazins «041» gehört heute dem Pressebüro Kohlenberg in Basel an, wo er mehrheitlich für Behörden und Unternehmen textet – ganz vom Musikjournalismus mag er aber nach wie vor nicht lassen.