UFO – IV.I & IV.II oder: Die Neuentdeckung der Pop! Musik
Die Aliens sind hier. Sie kommunizieren und imitieren (spielen mit?) uns. Mit Sicherheit belegen können wir das zwar nicht, doch erreichen uns mit den Releases von «IV.I» & «IV.II» von UFO via «A Tree In A Field Records» nun schon zwei EPs welche meilenweit von der breiten Hörgewohnheit fern liegen und doch nur eins sind: Pop Musik.
Mirco Kämpf
Das Weltall ist im Underground. Seit Jahren sind UFO nun schon mittendrin in der Basler Musikszene und kaum jemand wird sie wohl jemals bei Tageslicht gesehen haben. Die Sichtungen passieren stets zwischen Nacht und Trunk. Berichterstattungen zufolge, sprechen sie zu uns in merkwürdigen Soundfrequenzen und unmöglicher Technologie. Ohne Noten. Ohne Struktur: Modulierte Tennisbälle werden gegen die Wand geworfen und regelmässig suchen sie sich neue Erdbewohner*innen, um ihrer ausserirdischen Soundsprache Ausdruck zu verleihen.
UFO sind ein offenes Gefäss und erscheinen uns in der Form von Michael Anklin (drums etc.), Lukas Huber (keys etc.) & Robert Torche (etc. etc.). Seit ihrer Gründung 2011 haben sie uns bereits einige Aufnahmen hinterlassen. «Eins» erschien 2013, «II» erschien als Video 2016 und «III» erschien 2017. Veröffentlichungen zwischen Krach und Kalkül.
Anfang und Ende schweben im Kreis
In der Zwischenzeit haben sich die Ausserweltlichen immer mehr unserer Sprache angenähert. Die Tracks auf «IV.I» & «IV.II» bezeichnet Lukas Huber gar als „Pop“-Songs und meint damit natürlich etwas komplett anderes, als Adorno oder Normalsterbliche: «Nicht als Populär-Musik sondern etwas, das heraus-poppt.» Was sie uns in ihren Soundbotschaften aber wirklich mitteilen wollen, kann nur erahnt werden. Wir versuchen trotzdem zu verstehen.
Die Musikmaschinerie von UFO bewegt sich stets präzis, aber auf einer höheren mathematischen Ebene. Es scheint, sie arbeiten mit offeneren Ohren. Sie verzichten auf menschlich-bewährte Tonsatzformen (Vers, Vers, Refrain, Vers) und gehen andere Wege: Anstatt vertikal zusammengebaute Kompositionen kreieren sie vertikale Sphären. Anstatt Konstanten wählen sie Variablen. Sie suchen Mitspieler*innen ausserhalb des Raumschiffes und wenn sie diese gefunden haben, beginnt die gegenseitige Empfängnis. Es ist ein Konzept der Annäherung; der Neugier, der Spielfreude; aber auch des Widerstands.
UFO – 4444 ft. Zooey Agro & Martin Schenker
Auch die Kollaborateur*innen sind POP! Stars
Die erste Transmission erreichte uns am 4. Februar 2022. Der Track «4444» kam mit der Ankündigung, innerhalb der nächsten paar Jahre regelmässig Songs zu veröffentlichten, welche dann mindestens in vier EPs münden sollen. Dass diese Songs radikal sind, oder eben, dem alternativen Pop Gedanken von UFO entsprechen, sollte an dieser Stelle klar sein. Wo in der ersten Single eine vehemente Spoken Word Performance der Berliner Künstlerin Zooey Agro Center Stage nimmt, verliert sich die kantige Urbanität kurze Zeit später in einer eery Ballade mit Anna Hirsch (Ikarus) in “Rand”.
Wo endet blosser Klang und wann werden Klänge zum Lied? Muss ein Song abschliessend sein? Einen Anspruch der Vollständigkeit erfüllen? Tracks wie “Meeressäuger” (mit Martin Schenker) oder “Peng!” (mit Marlon McNeill) dehnen solche Fragestellungen aus und auch die Band macht sich einen Spass daraus, Vier minütige Tracks wie “4444” im Live-zustand bis zu 40 Minuten lang zu performen.
Mit jeder Veröffentlichung wird dem offenen Improvisationsgedanken Folge geleistet. Dem UFO-Klischee entsprechend kann niemals vorhergesagt werden, in welchen (Genre-)klüften sie als nächstes aufpoppen mögen. Und so vereinen sich auf “IV.I” und “IV.II” wohl die bisher auskomponiertesten Sounds, welche das Trio bisher hervorgebracht hat.
UFO – Meeressäuger ft. Martin Schenker & Zooey Agro
Wehren Gegen: Konventionen
Abschliessend noch ein paar Worte zur angesprochenen Radikalität der Band. Natürlich sind die Aliens Anklin, Huber und Torche Musiker, welche in ihrem irdischen Alltagsleben in anderen Sphären als die meisten unterwegs sind. Sie sind den hohen Ansprüchen einer Musikszene dienlich, welche auch mal in der Schola Cantorum Basiliensis einkehren. Sie setzen sich mit Opern auseinander. Sie komponieren für Instrumente der Frühgeschichte oder fürs Theater. Und dennoch riefen sie jahrelang zu einer eigens erfundenen Konzertserie auf mit dem gloriosen Namen «Schlägerei mit anschliessender Diskussion».
Und so ist es nicht nur blosse Neugier, welche UFO zu dem macht was sie sind. Sondern ein wohl sozialer Gestus, dagegenzuhalten. Wenn Lea Dubach (Omni Selassi) im Song «Konnakol» die EP «IV.II» mit den Worten «I hunt with my bare hands» eröffnet. Wenn sich Claire Huegenin in «HaltStopp» in dystopisch-paranoide Liebesprosa verliert. Wenn Jannik Giger mit Pathos den «Dont Cry – Work» Ethos persifliert. Und wenn Daniela Weinmann (Odd Beholder) in «Smarakt» zu insektoiden Sensibilitäten den Folk unter die Erdoberfläche bringt. Dann lehren uns UFO das Geheimnis des guten Tons: Findet eure Stimme. Macht Pop! Musik.
UFO - IV.I & IV.II
Die «IV» EPs erscheinen via A Tree In A Field Records. «IV.I» erschien im August 2022, «IV.II» gerade erst im April 2023. Die Platten können im Shop bestellt und via Bandcamp oder Spotify gehört werden. Die Releases wurden durch den RegioSoundCredit 2021 unterstützt.
In den kommenden Releases «IV.III» und «IV.IV» werden Kollaborationen mit u.a. Legion Seven, Laure Betris und Nives Onori zu hören sein.
LP Verlosung
Das Musikbüro verlost je Exemplar der Platte.
Teilnehmen: E-Mail ans Musikbüro senden.
Es wird keine Korrespondenz geführt.
About Mirco Kaempf
Sein Leben begann mit einer Best-Of-Kassette der Beatles, welche ihm bis heute noch in den Ohren klingt und die Pforten zur Welt öffnete. Zwischen Harmoniesucht & Destruktionslust besuchte er in London eine Kunstschule, wo er vor allem für Malerei, romantische Dichter*innen & Punk Superheroes schwärmte. Seit 2016 ist er Co-Verantwortlicher des Radio X Musikprogramms, wo er sich begeistert, für Klänge abseits des Kanons. Er ist MAZ dipl. Journalist.