Ben Kaczor & Niculin Barandun - Pointed Frequencies: Auch ohne Beats wirds intensiv

Reviews
Ben Kaczor, Marie Sutter & Niculin Barandun © Marie Sutter, 2024
Ben Kaczor, Marie Sutter & Niculin Barandun © Marie Sutter, 2024

Die beiden Basler Künstler Ben Kaczor und Niculin Barandun veröffentlichen auf dem legendären Label Dial ihr Album «Pointed Frequencies» und überzeugen mit einer intimen und gleichzeitig brachialen, rhythmusfreien Klangwelt.

Album Review

Ben Kaczor dürfte geübten Nachteulen bekannt sein als weitgereister DJ und Produzent mit Gastspielen im vielgeliebten Hamburger Golden Pudel Club, dem Waking Life Festival in Portugal oder im TAG-Club in in Chengdu. Seine Produktionen, wie auch seine ausladenden Sets spannen weite Bögen von Ambient über sphärische Rhythmuscollagen bis zu dunkelstem Techno. 

Niculin Barandun bewegt sich seit nunmehr zehn Jahren im interdisziplinären Feld zwischen elektronischer Experimantalmusik, visueller Installation und interaktivem Mapping. Das mag schwarz auf weiss in der Kürze nicht sehr aussagekräftig sein, ein Besuch einer seiner rund um den Globus durchgeführten Projekte sei darum unbedingt empfohlen. Die schiere Bild- und Ton-Wucht von Baranduns Installationen und Auftritten sucht ihresgleichen. Auge, Ohr und Körper werden gleichermassen mit einbezogen und ermöglichen ein wahrhaft physisches Erlebnis.

Ein Gedicht als Tracktitel

Von einer ähnlichen Kompromisslosigkeit ist auch das kollaborative Werk der beiden geprägt. Dies beginnt schon mit den Tracktiteln: Sie entstammen einem Gedicht, welches die Basler Kunsthistorikerin Carla Patricia Kojich für das Album verfasst hat. Die einzelnen, teils langen Zeilen werden als Tracktitel verwendet, eine Dekonstruktion, die sich in der präsentierten Musik passend widerspiegelt.  

Als Inspiration für «Pointed Frequencies» dienten den beiden Künstlern klangtherapeutische Ansätze und weiterführend die Auseinandersetzung mit den Solfeggio Frequenzen, eine heute therapeutisch angewandte Ton- und Gesangslehre, entwickelt von Guido von Arezzo im 11.Jahrhundert.

Schwebend ans Limit

Skizziert in der Abgeschiedenheit einer 'Hüttenretraite' und fertiggestellt in den Zebra Studios Basel, ist das Werk mehr als einfach ein 'Ambient'-Album oder eine künstlerisch anspruchsvolle Soundcollage. Für die Meditations-Playlist ist gut die Hälfte der Stücke eher weniger geeignet, prüft das ausgefeilte Klangbild doch gekonnt die Grenzen etablierter Hörgewohnheiten. Das epische, 8-minütige Zentralstück «folding futures present wake the dust in obscurity» geht zunächst mit fast schon mechanischer Präzision ans Schmerzlimit, um sich im weiteren Verlauf wunderbar in Moll-Pianoakkorden zu verlieren. Ganz anders «the equilibrium in transition»: Hier heben die schwebenden Klangschichten jegliche Gravitation auf, knapp geerdet durch den markanten Knisterteppich, der sich wie ein roter Faden durch «Pointed Frequencies» zieht. 

Zwischen diesen beiden Polen erschaffen Kaczor und Barandun eine vielfältige Soundlandschaft, in der es sich mit Genuss vom Weg abkommen und verweilen lässt. Wer braucht da noch Beats...

Visualisierung von Pointed Frequencies

Die Visualisierungen für die Live-Performance sowie zwei experimentelle Kurzfilme werden von der Künstlerin und Regisseurin Marie Sutter geliefert. In ihren strukturellen Kompositionen bewegen sich fliessende Abstraktionen aus Licht. Sutters Videos widerspiegeln die grüblerische Energie und die aufkeimenden Formen von Pointed Frequencies. 

Ben Kaczor & Niculin Barandun - Pointed Frequencies
Ben Kaczor & Niculin Barandun - Pointed Frequencies

Ben Kaczor & Niculin Barandun - Pointed Frequencies

Das Album ist bei Dial Records erschienen. Unterstützt wurde das Album durch den RegioSoundCredit 2023/2. Check doch, ob man die Platte im Plattfon bekommt, heisser Tipp!

Verlosung

Wir verlosen ein Exemplar der Vinyl, wer sie haben will schreibt ein Mail

About Nik von Frankenberg

Nik von Frankenberg ist Produzent für Podcasts, Soundtracks und eigene Entwürfe der Clubmusik, angesiedelt irgendwo im Spannungsfeld von Techno, Jungle, Hardcore und ihren modernen Ausprägungen. Jahrzehnte des masslosen Konsums spannender Musik und der entsprechenden Begleitmedien durfte er als Musikredaktor, Jurymitglied, Broadcaster und Hobbyjournalist auch auf gesellschaftlich akzeptierten beruflichen Wegen anwenden.
Durch seine Aktivitäten als DJ, Veranstalter und Freund des Feierns mit Musikbegleitung kennt er die Clubkultur und ihre Entwicklung im In- und Ausland von allen Seiten.