Oakhead - X.O.: Eintauchen in ausserirdische Welten

Reviews
Oakhead © Daniel Kern
Oakhead © Daniel Kern

Das 2013 gegründete lokale Trio «Oakhead» veröffentlicht nach über zehn Jahren Bandgeschichte endlich ihren ersten Longplayer – und diesen gleich doppelt. «X.O.» ist ein stabiles, über Jahre gereiftes, psychedelisches Instrumental Rock-Brett, das den Werken der grossen Stoner-Meister in keinster Weise nachsteht.

Album Review

«Brett» ist eigentlich das perfekte Stichwort, wenn’s um Oakhead (zu Deutsch: «Eichenkopf») geht. Die drei borstigen Jungs aus dem Baselbiet beherrschen ihr Handwerk nämlich nicht nur im musikalischen, sondern auch wortwörtlich im handwerklichen Sinne. Ihr Bandraum-Studio, in welchem «X.O.» in den letzten paar Jahren in Eigenregie aufgenommen wurde, ist gleichzeitig auch eine Werkstatt, wo die Band als Kollektiv und unter dem Namen «Oakhead Instruments» Gitarren, Bässe, Amps und Effektgeräte baut. Diese werden nicht etwa nur von ihnen selbst, sondern auch z.B. von Lukas Kurmann (Bass, «Zeal & Ardor» und «Sons of Morpheus») oder Florian Schönmann (Gitarre, «Leaden Fumes») gespielt. Und all die genannten Fabrikate können auf Anfrage custom-mässig von und bei ihnen hergestellt werden.

DIY in Reinform

Die Musik ist im Fall von Oakhead unmissverständlich im Bereich «Stoner» zu verorten – eine in den 1990er-Jahren entstandene, von Blues, Psychedelic-, Post- und Progressive-Rock geprägte, oft instrumental und von langhaarigen Menschen mit einer Schwäche für psychoaktive Substanzen gespielte Unterkategorie der härteren Gitarrenmusik.

Ein wichtiges Merkmal dieses Genres ist sicher die Leidenschaft für sehr viele, sehr ausgeklügelte Gitarren-Effekte, lange Songs und eine stark ausgeprägte, geduldige Do-It-Yourself-Attitüde. Und diese Kriterien erfüllen Oakhead auf ihrer ersten Platte zweifellos alle: «X.O.» ist ein über Jahre hinweg live im eigenen Bandraum selber aufgenommenes, auf grösstenteils selbstgebautem Gear eingespieltes Instrumental-Album mit viel Raum für Improvisation… wenn das nicht DIY in Reinform ist.

Desert-Rock vom Mars

Das vom Gitarristen Daniel Roth (kurze Haare, kurzer Bart) mithilfe von künstlicher Intelligenz erschaffene Cover Artwork zeigt drei in Beduinen-Gewänder gehüllte Astronauten, die in einem kleinen Boot sitzend auf eine weite, rote Wüstenlandschaft hinausblicken. Ein Motiv, das den Sound dieser Platte meiner Meinung nach perfekt illustriert: schon im Opening-Track «Intro», das mit einem psychedelisch-sphärischen Klangteppich beginnt, werden wir auf eine andere Welt katapultiert, bei der es sich hörbar um den roten Wüstenplaneten Mars «Mars Footprint» handelt. Eine Metapher für Weite, für Schwerelosigkeit und der Sehnsucht nach unerschlossenen Gebieten, aber auch für Gefahr und den einen oder anderen Sandsturm, der einem gelegentlich um die Ohren fliegt.

Oakhead - Mars Footprint (Official Videoclip)

Play Video

So wird der sphärische Anfang der Platte nämlich bald mal von Roths heulender Gitarre durchbrochen und bald darauf von den bluesigen Basslines von Marcel «Bruedi» Bruderer (lange Haare, kurzer Bart) und konsequent eingeprügelten Drum-Beats von Christoph «Stucki» Stuker (sehr lange Haare, sehr langer Bart) untermauert. Diese Zauberformel zieht sich danach durch das ganze Album, das sich in meinen Ohren weniger als eine Ansammlung verschiedener, individueller Songs, als vielmehr ein über einstündiges Gesamtwerk anhört.

Oakhead, die Band, die sich mit ihrer Zusammenarbeit mit dem Basler Rap-Dinosaurier «Pyro» vor ein paar Jahren noch in ziemlich experimentelle Gefilde begeben hat, erfindet mit ihrem Debut-Album eigentlich nichts Neues. Was wir auf «X.O.» hören, ist im Grunde genommen einfach verdammt gut gespielter und für das Genre eher untypisch abwechslungsreicher Stoner-Blues. Wer auf der Suche nach stilistischer Innovation ist, ist hier zwar nicht ganz an der richtigen Adresse – Freunde von fettem und authentischem Rock à la Kamchatka oder Elder kommen dafür absolut auf ihre Kosten.

Der Teufel im Detail

Was diese Band und dieses Album wiederum sehr innovativ macht, ist – abgesehen vom selbst gebautem Gear – die Detailverliebtheit für harte und psychedelische Klänge, die spürbare Lust am Spielen, der hohe, fast exzessive technische Anspruch und das Ausreizen jeglicher Grenzen in einem ziemlich klar abgesteckten musikalischen Rahmen. Besonders hörbar ist das in Daniel Roths Gitarrenspiel: ausnahmslos jeder Song auf «X.O.» enthält ausufernde, improvisierte Gitarren-Parts und -Solos, die von einem – zumindest in der Region Basel – praktisch unerreichten technischen Skill zeugen. Gepaart mit Bruedi und Stuckis repetitiven, teilweise schon fast mantramässigen Rhythm Section-Fundament, das regelmässig von hochkomplexen Arrangements und ausgeklügelten Breaks durchbrochen wird, entsteht ein bewusstseinserweiterndes Hörerlebnis, das definitiv das Potential hat, sämtliche mit vielen Haaren bestückten Köpfe zu schwungvollen Kreisbewegungen zu animieren.

Aus gutem Holz geschnitzt

Einer dieser Köpfe gehört sicherlich Marc Obrist (Sänger bei «Zeal & Ardor» und Frontmann der lokalen Stoner-Kapelle «Rich Kid Blue»), der das Album ohne unnötigen Schnickschnack im hauseigenen Oberwiler Tonstudio «Hutch Sounds» gemischt hat. Gemastert wurde «X.O.» von Cello Hertner bei Jungelroom Mastering und vertrieben wird das Album vom lokalen Rumpelrock-Label «Sixteentimes Music».

Ein stabiles Brett muss nämlich nicht nur aus gutem Holz geschnitzt, sondern eben auch fein geschliffen und geölt werden, damit es seinen Zweck erfüllt. Alles richtig gemacht, Oakhead!

Oakhead - X.O., 2024
Oakhead - X.O., 2024

Oakhead - X.O.

Die Doppelvinyl ist am 5.4.24 bei Sixteentimes Music erschienen. Zu kaufen gibt es die Platte im Shop und ist auf den Streamingplattformen hörbar. Die Platte wurde unterstützt durch den RegioSoundCredit 2023/3.

Oakhead besteht aus Daniel Roth, Christoph Stuker und Marcel Bruderer

Vinyl Verlosung

Die Verlosung ist abgeschlossen

Live

  • 5.4.24 - Quarterdeck Basel, (Ausverkauft)

Oakhead

Oakhead © Daniel Kern
Oakhead © Daniel Kern
03/11/2023

Beiträge
4 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2023

About Noé Herrmann

Noé Herrmann (*1989 in Basel) ist selbstständiger Grafiker und seit vielen Jahren in der Basler Musikszene aktiv und vernetzt. Er steuert regelmässig Designs für lokale Bands, Künstler*innen und Kulturinstitutionen bei, war langjährigen Moderator der Sendung «BSounds» auf Radio X und sitzt bei der Tropical Grunge-Band «Retromorcego», der Emo-Band «Mild Crush» und der Pop-Funk-Band «Fraîche» am Schlagzeug.