MILYMA – Grief After All: Für alle, die Musik lieber spüren als skippen

Es gibt Künstlerinnen – und es gibt MILYMA. Seit ihrer EP (2022) und dem Debütalbum «Only Lovers Left a Lie» (2024) beweist sie: Musik ist bei ihr nie nur Klang. Sie ist Konzept, Komposition, Collage. Zwischen Deutschland, Schweiz, und dem ganz Eigenen baut sie sich einen Raum, der keiner Szene gehört – und genau deshalb so magnetisch wirkt. Wer FKA Twigs oder Arca schätzt, aber offen für Überraschungen bleibt, wird hier fündig. Oder: verloren. Im besten Sinne.

Das neue Album besteht aus neun Tracks, alle selbst produziert, aufgenommen zwischen realen und emotionalen Koordinaten. Die Themen: Verlust, Verschiebung, Veränderung – aber nie mit Pathos. Eher wie ein Monolog, der auf Field Recordings ruht, sich in fragmentierten Lyrics verliert und von schwebenden Harmonien getragen wird.

«Outro», die erste Single, klingt wie ein inneres Flüstern nach einer langen Nacht. Unfertig, intim, wunderschön. Das Piano begleitet wie eine Erinnerung, der Beat kommt und geht: Alles bewegt sich – nichts bleibt.

«Fallin» ist genau das: ein musikalischer Drift ins Nichts. Aber stilvoll. Der Song fällt – schnell, aber doch langsam, weich, sehnsüchtig. Und genau da liegt seine Stärke. Keine Stille, sondern Intensität zwischen Dramatik und Klang.

«moneymove» ist strukturelle Eleganz im Wandel. Beatwechsel, kleine Störsignale, folkloristische Untertöne – und dann ein Piano, das nur kurz vorbeischaut, wie ein alter Freund. Ein Track wie ein Zugfenster bei Nacht: aussen Bewegung, innen Stille.

«Outro» schliesslich ist mehr Kunstinstallation als Song. Fast dokumentarisch, sehr persönlich. Das KI-gestützte Musikvideo ist surreal, entrückt aber voller Gefühl. Eine digitale Erinnerung, die sich menschlich anfühlt. Und ja: Es funktioniert.

Das Beeindruckendste? Alles ist aus ihrer Hand. Sound, Bild, Kleidung, Konzept – selbst die AI-Bilder stammen aus ihrer Feder. Das ist kein Kontrollwahn, sondern künstlerische Konsequenz. MILYMA denkt Kunst ganzheitlich. Und das sieht man. Und spürt man.

«Grief After All» ist keine Platte für den Feierabend mit Chips. Sie verlangt Aufmerksamkeit. Und schenkt im Gegenzug Tiefe. Wer bereit ist, sich auf gebrochene Strukturen, flüchtige Melancholie und stille Genialität einzulassen, wird belohnt. Oder wie man so schön sagt: Kein leichter Stoff – aber verdammt gutes Material.

Die Basler Musikerin svmthoX verbindet ihre Liebe für Musik, Schreiben und Sprachen in allem, was sie tut. Sie verfasst Raptexte, Geschichten - und Reviews für das Musikbürobasel, moderiert die Sendung BSounds auf Radio X und engagiert sich aktiv in der Schweizer Musikszene.