Parco Palaz - Okret: Elektronische Musik zwischen G-Funk und serbischer Tradition

Der Basler Produzent Parco Palaz entzieht sich jeder stilistischen Einordnung. Elektronisch, aber nie an ein Genre gebunden, kreiert er einzigartige musikalische Hybride. Auf «Okret» setzt sich Nicola Mišić erstmals mit seinen serbischen Wurzeln und seiner langjährigen Liebe zu G-Funk auseinander – ein überraschend stringentes und reifes Werk aus 12 Tracks.
John Bürgin
Wer ist dieser Parco Palaz? Eine Frage, die ich mir in den letzten Jahren ein paar Mal gestellt habe. Bis dato begnügte ich mich aber damit, mich zu erfreuen, wenn eine neue EP oder einzelne Tracks von ihm erschienen und meine Radiosendungen oder DJ-Sets musikalisch bereicherten. Auch wenn ich über den Basler Produzenten nicht viel wusste und man auch nicht viel erfuhr, war der Name «Parco Palaz» für mich stets mit qualitativ hochstehender und vor allem unkonventioneller elektronischer Clubmusik gekoppelt – Musik, sehr weit weg von generischen Mustern, Trends und abgelutschten Normen. Mal dominieren Breakbeats, Deephouse und Detroit-Techno-Einflüsse, mal erinnern Industrial- und Trip-Hop-Elemente an Massive Attack. Releases auf angesagten internationalen Labels wie TraTraTrax oder SNC waren die Gütesiegel. Ein neuer Track von ihm zu hören, war oft eine ähnliche Erfahrung wie das Öffnen eines Überraschungseis. Nie konnte man voraussagen, was da kommen würde.
Jetzt, wo ich aber dieses Review über seine neue Platte schreiben darf, soll sich das ändern. Und wie man das heute so macht, bin ich in seine DMs geslided im Stil von: "Hey, John hier, ich darf eine Review über dich schreiben, möchte aber zuerst mehr über dich als Person und Künstler erfahren…". Darauf hat er mir spannende Dinge über sich, seine Arbeit und seine serbischen Wurzeln erzählt.
Dadurch ist hoffentlich ein interessanter Text über einen kreativen Menschen entstanden, der sich in der Primarschule selbst als "Jugoschwiizer" vorstellte, später die Liebe zu G-Funk und Westcoast-Rap entdeckte und heute auf seinem dritten und jüngsten Longplayer mit seinen serbischen Wurzeln auseinandersetzt.
Das steckt in «Okret»
Der Basler Produzent Parco Palaz schafft mit seinem neuen Album Okret ein beeindruckendes Werk, das stilistische Grenzen sprengt. Auf zwölf Tracks und einer Radioversion (why!?) verbindet Parco Palaz elektronische Musik mit den Rhythmen und Melodien seiner serbischen Wurzeln und schafft dabei ein Werk, das sowohl technisch ausgefeilt als auch gelangweilte Electronicafans begeistert.
Das Album ist eine Individualreise, die westliche G-Funk-Einflüsse mit der folkloristischen Tradition des Balkans vereint. Besonders spannend ist dabei der Track Šestorak, in dem die Gajda, ein uraltes Blasinstrument aus dem Balkan, im Mittelpunkt steht. Gespielt von Slobodan "Gale" Dimitrijevic, einem der großen Meister des Instruments, wird sie auf subtile Weise in einen modernen elektronischen Kontext eingebettet. Diese Mischung aus Tradition und Innovation zieht sich durch das gesamte Album. Mišić selbst beschreibt die Gajda als ein ambivalentes Instrument – sowohl ein Symbol der Freude als auch ein Objekt mit mystischer, fast dämonischer Aura.
OKRET - Parco Palaz - Album Teaser

Musikalisch geht Parco Palaz tief: Er experimentiert mit asymmetrischen Rhythmen wie 5/8 oder 7/8, die in der serbischen Volksmusik zentral sind, und kombiniert sie mit dem G-Funk-typischen Glide-Sound, der ihn seit seiner Jugend geprägt hat. Was als technisches Interesse an den Strukturen der Balkanmusik begann, wurde für Mišić zu einer persönlichen und spirituellen Reise. Dabei gelingt ihm der Spagat, Folklore nicht als Rückgriff auf die Vergangenheit zu interpretieren, sondern als zeitloses und flexibles Konzept.
Produziert wurde das Album an verschiedenen Orten: hauptsächlich in Basel und Belgrad, aber auch in kleineren Städten in Serbien und Kroatien. Die geografische Vielfalt der Produktionsorte spiegelt sich auch in der Musik wider – jedes Stück erzählt seine eigene Geschichte und fügt sich dennoch nahtlos in das Gesamtkonzept ein.
Fazit
Mit «Okret» liefert Parco Palaz sein bisher stärkstes Album ab. Der Mix aus diffusen Westcoasts Vibes, serbischer Tradition und grossstädtischer Clubmusik wirkt zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt und ist sowohl authentisch wie auch kreativ umgesetzt. Dieser Longplayer ist mehr als nur Musik – es ist ein Brückenschlag zwischen Kulturen, der gleichzeitig ein persönliches Statement darstellt. Gäbe es hier eine Punktevergabe, würde die Scheibe von mir 8.5 von 10 bekommen.

Parco Palaz - Okret
Das vollständige Album erscheint bei Planisphere Editorial am 9.5.25 auf allen Plattformen. Die Produktion wurde unterstützt durch den RegioSoundCredit 2021/3.
Parco Palaz

Beiträge
4 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2021
3 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2020
über John Bürgin
Der gebürtige Basler ist seit Anfang an beim jungen SRF-Radiosender Virus in der Musikredaktion mit dabei und ist seit einigen Jahren Teil der SRF Fachredaktion Musik und der Sounds! Redaktion bei SRF3. Dort ist er der Gatekeeper für alles Elektronische und produziert das Format «sounds!mixtape». Daneben steht er auch selbst regelmässig hinter den DJ Decks.