Cla Nett – Das Urgestein der CH-Blues-Szene ist tot

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Die Basler Musikszene und die Schweizer Blues-Szene trauern um eine ihrer prägnantesten Figuren. Cla Felice Nett: 24.12.1956–27.9.2021.

Verein / Professionals

«Goodbye my dear friend
my brother and partner in crime
I‘ll sing the blues for you.

Roli Frei, Musiker und Bandmate bei der Lazy Poker Blues Band

Cla Nett 1956–2021 © Reto Toscano
Cla Nett 1956–2021 © Reto Toscano

Mit Cla Nett ist eine Institution des Blues made in Switzerland überraschend und viel zu früh in seinem 65. Lebensjahr gestorben. Den Tod hat seine Familie am Montag, 28. September 2021, gegenüber der AZ / bz Basel bestätigt.¹

Die traurige Nachricht hat in der Basler und Schweizer Musikszene rasch für grosse Bestürzung und tief empfundene Trauer gesorgt. Cla Nett hat nicht nur eine der bekanntesten Formationen der Schweizer (Blues)Musikszene, die Lazy Poker Blues Band, 1975 mitbegründet und durch über 40 Jahre Höhen, Tiefen und Untiefen manövriert, sondern auch als Aktivist und Anwalt der freischaffenden Musikszene Bekanntheit erlangt.

Sein Know-how hat er immer auch der Musikszene der Region und dem RFV Basel zur Verfügung gestellt. Cla Netts jahrzehntelanger, leidenschaftlicher Einsatz für den Blues, die Musik der Südstaaten der USA, einerseits und für bessere Bedingungen der Musiker*innen in der Schweiz andererseits haben ihm viel Respekt eingebracht.

In allererster Linie aber war Cla Vollblut-Musiker. Als Bluesmusiker und Gitarrist war er unbestritten einer der ganz Grossen. Cla Nett hat in seiner langen Karriere – vorab mit seiner Band Lazy Poker Blues Band und den anderen Projekten als Duo, Trio oder Band – nach eigenen Angaben rund 60 000 Tonträger verkauft und 2 600 Live-Auftritte bestritten.

Der RFV Basel möchte an dieser Stelle Cla Netts Frau Doris, der Familie, den musikalischen Weggefährt*innen und Freund*innen sein tiefes Beileid ausdrücken.
 

Rest easy, Cla.
 

Cla Nett, Südstaaten der USA © 2014 Familienarchiv Cla Nett
Cla Nett, Südstaaten der USA © 2014 Familienarchiv Cla Nett

Erste Reaktionen aus der Musikszene

Kurt Bislin, Cla Netts Partner (und weit aussen Verwandter) in der gemeinsamen Band Second Cousins, schreibt auf der Bandwebsite: «Cla Nett war ein, oder vielleicht besser, das Urgestein in der Schweizer Blues-Szene und hat diese mit seiner Lazy Poker Blues Band über die Jahrzehnte ganz wesentlich mitgeprägt.»

Steffi Klär, Veranstalterin, Networkerin und Musikerin: Cla war «interessiert, liebenswert aber auch leidenschaftlich und dezidiert, immer für einen Schwatz über Musik und das Leben zu haben ... den Schalk in den Augen und Charme in den Worten.»

Marc Krebs, Musikjournalist und Autor des Standardwerks Pop Basel², das Cla Nett ein eigenes Kapitel widmet, schreibt auf Facebook: «Er war ein Blueser mit Herz und Humor, ein guter Typ ... ein leidenschaftlicher Musiker und ein äusserst geselliger, liebenswerter Mensch».

Julian Herzfeld, Musikproduzent, Philadelphia USA, ebenfalls auf Facebook: «I awoke to the terrible news this morning. Cla — we recorded two great LPs together — and while the distance of an ocean separated us — our common love of the blues and mutual citizenship in the city of Basel kept us connected. RIP my friend.»

Second Cousins © Beth Wimmer 2017
Second Cousins © Beth Wimmer 2017

Second Cousins mit «Bloody Tears»: «Es läuft super»

«Es läuft zur Zeit super», schreibt Cla Nett am sehr frühen Morgen vor dem Auftritt seiner Band Second Cousins am Basler Klosterbergfest 2018 im August, und er fügt in seiner E-Mail an das RFV-Büro augenzwinkernd an: «Dies ist die einzige Band, mit der ich je gespielt habe, die noch keinen Gig musikalisch in den Sand gesetzt hat».

Auch der Auftritt am Abend des 25. August 2018 war für Liebhaber*innen des straighten Blues zwischen Chicago und New Orleans ein Höhepunkt. «Wenn wir bloss so viel verkaufen würden, wie die Kritiker uns loben», merkte Cla Nett an. Ein frommer Wunsch, wie er als hartnäckiger Meister der Nische natürlich selber wusste.

Die Review zu Second Cousins Album Bloody Tears war pünktlich – Ehrensache – einen Tag vor dem Konzert auf der RFV-Website veröffentlicht worden. Kritiker Michael Gasser meinte zum letzten Album, bei dem Cla Nett federführend mitgewirkt hat und zum ersten der Second Cousins überhaupt, dass es «eher deftig als delikat» sei, «jedoch vor allem eins: beseelt.»

Cla Nett hat die Kritik sehr wohlwollend entgegengenommen³. Überhaupt wirkte er mit dem neuen Projekt, der neuen Band sehr zufrieden und frohen Mutes.

Mit Joe Cocker unterwegs in Deutschland
Bekannt wurde Nett in der Schweiz und Deutschland mit der Lazy Poker Blues Band, die er 1975 mit Fulvio Häfeli, Werner Doebelin und Ueli Hofmann gegründet hatte. Auf Tour waren die «Lazies» auch mit Joe Cocker oder B.B. King. Als eine der wenigen West-Bands spielten sie auch in der damaligen DDR. Das Album Dealin' With Feeling landete 1984 gar in den CH-Album-Charts.

2009 ging am Blues Festival Basel die grosse «Cla Nett and The Lazy Poker All Star Rhythm’n’Blues Revue» über die Bühne im Volkshaus – viele ehemalige Weggefährt*innen waren mit dabei, allen voran der ehemalige Lead-Sänger Roli Frei, sowie Sam Jenzer, Marco Piazzalonga, Claudia Bettinaglio, Urs Meyer, Markus Werner, Andy Lang, Jimi Aeby, J.C. Nett, Chicago Dave, Surfi Morf und Marc Glaser. 2017 trat die Lazy Poker Blues Band dann in neuer Formation im neu wiedereröffneten Atlantis Basel auf.

Cla Nett, 1956–2021 ©
Cla Nett, 1956–2021 ©

Musikalische Vorbilder von Muddy Waters bis Aretha Franklin

Ein paar Songs einiger seiner musikalischen Vorbilder oder Einflüsse hatte Cla Nett dem RFV Basel bereits 2009 in der Rubrik MyPod verraten und die Liste hat immerhin zwei Website-Redesigns schadlos überstanden: Muddy Waters, Freddie King, Little Feat, The Allman Brothers oder Aretha Franklin sind hier versammelt.

MyPod – 10 Lieblingssongs von Cla Nett

Anwalt der freischaffenden Musikszene

Cla Nett ist als gelernter Jurist, engagierter Networker und Anwalt der freischaffenden Musikszene auch für den RFV Basel ein gefragter Experte gewesen, etwa für die Workshops zu Steuerfragen und AHV oder in der Fachjury des BusinessSupport 2011. Am wenigsten Aufwand hat Cla sicher sein Amt als Rekursstelle des RFV Basel bereitet (2009–2016, 1 behandelter Rekurs). Als jahrzehntelanges RFV-Mitglied hat Cla Nett immer wieder für wertvollen kritischen Input bei Mitgliederversammlungen des Verein gesorgt.

Cla Nett machte sich als damaliger Geschäftsführer der Schweizerischen Interpretengenossenschaft (SIG) und Präsident der ehemaligen Action CH-Rock (später Action Swiss Music, die 2013 mit Musikschaffende Schweiz fusionierte) oder als Juror beim Prix Walo auch schweizweit für die Belange der Musikszene stark. Als Musiker und Komponist erhielt er, der nur selten ohne ledernen Cowboyhut unterwegs war, bereits 2004 den Swiss Blues Award.

An dieser Stelle nun passt der Songtitel (ein Johnny Littlejohn-Song) von Cla Netts letztem musikalischen Projekt, der Second Cousins, leider sehr gut. Wir verabschieden uns hier, von und mit ihm, mit «Bloody Tears» – wir verneigen uns.

Play Video

¹ AZ / bz Basel online, 28.9.2021
² Pop Basel – Musik und Subkultur, Merianverlag 2009
³ Second Cousins – Bloody Tears, Review.
   Live-Videoclip (Ausschnitt) vom Klosterbergfest © BurroBeat

Jurysprecher BusinessSupport 2011, Cla Nett © James Page
Jurysprecher BusinessSupport 2011, Cla Nett © James Page