The Lombego Surfers – The High Side: Ewig jung

Reviews
The Lombego Surfers © Matthias Willi
The Lombego Surfers © Matthias Willi

Diese Band ist unschlagbar. Reduziert aufs Maximum, frisch, knackig und zuverlässig wie keine andere liefert sie alle vier Jahre ein Album mit zwölf Songs. Mindestens zwei davon sind zeitlose Instant Hits des Garage Rocks. Die Band braut zudem ihr eigenes Elixier für ewige Jugend.

Album Review

Während die Buchstaben hier auf die Tastatur darnieder rieseln, sind die Lombegos schon längst wieder auf Tou. Heute (20.9.2022 anm. d. Red.) zum Beispiel im tiefen Osten, in Wilkau-Hasslau. «Hass» hat aber nichts mit der dort starken AfD zu tun, sondern – wie so oft bei den alten Flurnamen – mit dem schönen, lebensfrohen Haselnussstrauch.

In der sächsischen Kleinstadt wurden bis vor zwei Jahren noch Haribo-Süssigkeiten hergestellt, bis der Konzern die Produktionsfiliale schliessen liess. Kinder macht das nicht froh. Gut also, bringen die Lombego Surfers ihre Songs live nach Wilkau-Hasslau im Restaurant Laurentius vorbei. So haben wenigstens die Erwachsenen einen Grund zu froher Ausgelassenheit.

Stoisch unmodern, dafür klimaneutral

Die Lombego Surfers aus Basel sind eine jener unkaputtbaren Bands, die wir uns lieber nicht mit einem Elektromotor und teuren Lithium-Batterien, verbaut in einer spiegelglatten Hochglanz-Karosserie im Silicon-Valley-Design vorstellen wollen. Lieber mit dem guten alten Benzinmotor, mit schmierigen Öllappen und dreckigen Händen, die an den alten Jeanshosen oder am eingedellten Kotflügel abgestreift werden.

Richtig: Bei den Lombego Surfers rattert und knattert es, doch frisch und geschmeidig strampeln die Kolben im Zylinder. Ab und zu belebt der Knall einer Fehlzündung die Landstrasse, Bussarde steigen erschrocken in die Luft. Und wenn die Band-Kiste mit 100 Sachen in die Kurve geht, sieht alles so aus, als wären da drei taufrische, aber ganz schön abgebrühte 25-jährige Kerle am Werk.

Etwas älter sind sie schon, die Drei.

Allein die Band gibt es seit 34 Jahren (Anthony ist Gründer der Band; Pascal seit 1996, Olivier seit 2009 dabei). Für Romantik, feuchte Vintage-Träume oder Tapferkeitsorden des R'n'R bleibt aber keine Zeit. Ladies and Gentlemen: Anthony Thomas (git, voc), Pascal Sandrin (bs) und Olivier Joliat (dr) liefern die neue Staffel namens The High Side[1] in fabrikneuer Höchstform ab.

Die Platte schliesst nahtlos an das letzte Album Heading Out von 2018 an. Seit zwölf Jahren liefert dieses Trio im Vier-Jahres-Rhythmus ein neues Album mit exakt zwölf Songs zwischen 2:00 und 3:30 Minuten Rundenzeit. Mindestens zwei davon sind zeitlose Instant Hits.

Der Band-Sound war schon immer etwas stoisch unmodern – einerseits. Andererseits aber auch klassenbewusst urban, im Sinne von «dunkle Hinterhofecken, wo nachts seltsame Typen mit Bierdosen rumstehen und rauchen». Die DNA ist astreiner Garage-Proto-Punk-Voodoo-Surf-Rock'n'Roll mit Link Wray, MC5, den Cramps oder dem Moon Duo im Hinterkopf. Der Geist und die Energie dieser Band sind aber ewig jung. Dank des Band-eigenen Elixiers, dessen Herstellung am besten bei einer Live-Show mitverfolgt werden kann.

On the road: Wie sie also im alten Tourbus mit analoger Backline im Rücken, zu viert und low budget, in den Ländern der ehemaligen EU herumstreifen, sind sie praktisch eine klimaneutrale Band: Sie liefern live mehr Energie ab, als sie unterwegs verbrauchen. Bitte nachmachen!

Zur Musik

Dieses 13. Album der Band seit 1990[2]. «It's All Over» heisst auch gleich der erste Song, mit dem Anthony, Pascal und Olivier aus der Garage raus nach uns werfen. Kaum anfangen, schon zu Ende?

Natürlich nicht, aber wach sind wir jetzt. «It's All Over» und «No Way» kommen überraschend pop-rockig aus den Boxen geperlt. Vor allem «No Way» hat alle Ingredienzen eines Hüsker-Dü-verwandten Underground-Hits: hohes Tempo, freie Bahn, Fahrtwind von vorne, gut getakteter Motor aus Bass und Schlagzeug, dazu ein verwegener Fahrer, der cooles Zeug zum Fenster rausschreit, das wir dann alle nach dem ersten Mal Hören schon mitsingen können:

«If you wanna ride,
better ride out before it's all over.»

Merken wir uns.

0.00: Das billigste Musikvideo der Welt

Eine so coole wie simple Idee der Band war es auch, das Musikvideo zu «No Way» aus eingeschickten Handyvideoschnipseln von Dutzenden Fans beim Konzert auf dem Basler Warteck-Turm (Kulturbeiz 113) zusammenzuschneiden. Ein Musikvideo zu produzieren, das – ausser Zeit und Nerven – ganz genau gar nichts kostet. Merken wir uns auch.

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Anthony «Tony» Thomas, Texter der Band und amtierender Träger des Anerkennungspreis beim Basler Pop-Preis  («Der unruhige Pensionär») hat die Kunst der Verknappung und Reduktion auf die pure Essenz der R'n'R-Botschaft  längst zur Kunst erhoben.

Schwöre: Du kannst keine besseren 2:25-Garage-Rock-Songs als «Gimme My Drink» oder «No Way» (Co-Autor ist bei allen Songs Olivier Joliat) schreiben. Geht gar nicht! Auch die comic-haft knappen Sprechblasentexte des Songs «Gimme My Drink» sind so schnöd und roh hingeworfen wie ein vergessener Iggy-Pop-Song oder ein Bild von Raymond Pettibon.

Der Hauszeichner der Band heisst jedoch Dirk Bonsma und liefert für The High Side wieder ein wuslig-weirdes Schwarz-Weiss-Sittenbild mit Gossen-, Fantasy- und Robert-Crumb-Elementen. Für den vielleicht feinsten Recording-Sound bis anhin ist wieder Luc Montini vom One Drop Studio Basel zuständig gewesen.

Auch «Miss It» gesellt sich unauffällig zu den Instant Hits zu Beginn. 2:25 Minuten dauert der Song, in dem das Gefühl des Vermissens und der Wunsch nach Wiedersehen in eine anzüglich-knappe Story gesteckt werden. Hausfilmer und Fotograf Matthias Willi hat zu «Miss It» ein schnörkelloses Low-Budget-Live-Video gedreht.

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Eine Warnung?

Bleiben wir noch kurz bei den Songs, bevor das Gas ausgeht.

Das unverzichtbare Surf-Instrumental fehlt natürlich nicht: «Locked In Surf». Auch die nachdenklichen, retrospektiven, aber nie balladesken Songs sind auf dem Album stark und auch ein wenig bitter: «Nothing Like Me» zum Beispiel oder «Like Lightning», wo die Höhepunkte eines Lebens noch einmal wie Blitze am Nachthimmel zucken:

«There was a time when we had it all
Everything was cool and we couldn't fall».

So. Ende.

PS: Lediglich der letzte Song der LP hört sich an wie ein ungutes Signal. Als hätte jemand das Spiel ziemlich satt: «Fertig mit rumalbern, ihr wisst, wir spassen nicht», heisst es in «Done Fooling Around» sinngemäss übersetzt, «Wir sind durch mit dem Mist. Hört jetzt besser zu, spitzt eure Ohren, denn etwas wird passieren, in den kommenden Jahren.»

Unter uns gesagt: In vier Jahren wieder eine Platte mit zwölf neuen Songs wäre uns viel lieber. Die Warnung hör'n wir wohl.

Fussnoten

[1] High Side bezeichnet beim Motorradfahren einen Fahrfehler in einer Kurve, der das Motorrad plötzlich aufstellt und den*die Fahrer*in über die hohe Kante seitlich oder nach vorne wegkatapultiert. Man wird also sehr abrupt im hohen Bogen aus der Bahn geworfen und landet schmerzhaft auf dem Pflaster oder im Unterholz oder auch im Gegenverkehr – je nach Strecke. Worauf sich der Albumtitel aber bezieht, müssen wir zuerst noch nachfragen.

[2] mitgezählt ist die 10inch Five Drinking Songs von 2012 – sonst steht der Zähler bei 12.

The Lombego Surfers - The High Side, 2022
The Lombego Surfers - The High Side, 2022

The Lombego Surfers – The High Side
(Flight 13 Records, Freiburg i.Br.) ist am 2.9.2022 als LP in schwarz, rot und «glow in the dark» sowie digital mit einem Beitrag des RegioSoundCredit erschienen.

Erhältlich im Plattenladen, bei Flight 13 im Mailorder und bei Konzerten der Band am Merchandising-Tisch.

LP/CD-Verlosung
Das Musikbüro verlost 1 LP von «The High Side»
Teilnehmen: E-Mail ans Musikbüro senden. Es wird keine Korrespondenz geführt.

Diskographie
Die gesamt Diskographie gibt es digital bei den Lombego Surfers auf Bandcamp und als Stream seit neuestem auch auf Spotify & Co.

On Tour

  • 15.10.2022 CH-Basel, Humbug
  • 21.10.2022 D-Stuttgart, Goldmarks
  • 22.10.2022 D-Freiburg i.Br., Slow Club
  • 11.11.2022 CH-Brunnen-Ingenbohl, Kult-Turm
  • 12.11.2022 CH- Zürich, Kir Royal

Aktuelle Live-Daten auf der Website der Band.

The Lombego Surfers

The Lombego Surfers © Matthias Willi
The Lombego Surfers © Matthias Willi
20/02/2023

Beiträge
8 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2022
4 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2020
3 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2017
4 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger, Tournee | 2013
4 000 CHF | RegioSoundCredit Tonträger | 2010
5 000 CHF | RegioSoundCredit Tournee | 2008

About Chrigel Fisch

Der Berufslanghaarige stiess 1992 zur Basler Bevölkerungsstatistik und kümmerte sich seither praktisch unbestechlich um Bands und Musiker*innen von hier: 1993–2000 im Musikbüro der Kaserne Basel, danach beim BScene Clubfestival, beim Jugendkulturfestival JFK, ab 2004 als Manager der Laufentaler Rock-Rakete Navel, 2009–2022 beim damaligen RFV Basel als Kommunikator, Berater und Erfinder von «Bands of Basel» sowie Doktor Fisch; immer auch als Musik- und Satireschreiber, Jurymitglied bei diversen Contests und als Erschaffer des E-Bandmanuals «Rockproof – Alles für Deine Band». 

Ausserdem MAZ-Luzern-Absolvent und Verfasser schlecht verkäuflicher Bücher. Vater und Hausmann. Gegen jede Macht. 

Das SRF Regionaljournal weiss mehr.