Video of the week: «Send Me Your Best» von Anna Erhard
Eigentlich haben wir hier schon lange über die lockere Serie von lockeren Videoclips von Anna Erhard schreiben wollen, doch immer – hallo Leben – kam was dazwischen. Auch heute. Aber egal. Heute schreiben wir einfach und lassen es draussen dunkel werden ohne uns, denn morgen kommt Anna Erhards erstes Soloalbum nach der famosen Zeit mit ihrer noch famoseren Band Serafyn in die, ähem: Läden. Das Album heisst Short Cut (Radicalis Music) und es findet idealerweise als LP mit hässigem Piss-off-Gesicht vorne drauf den Weg zu uns.
Tagebuch der lebenslangen Suche
Bei Anna Erhard sieht ja vieles so leicht, so nebenbei gemacht und unscharf aus. Dabei ist es derart auf den Punkt gebracht scharf, dass uns dann doch immer wieder mal das Gefühl beschleicht, hier sei ein ganz grosser Star in den falschen Klamotten des Lumpenproletariats of arm-aber-sexy-Berlin unterwegs.
Etwa im Videoclip zu «Cut It Out» (ein Hit), der den Silvester 2020 in den Strassen von Annas Wahlheimat Berlin einfängt (nehmen wir jetzt einfach mal an), samt des fast schon ausgestorben geglaubten Scherzes des Singens in den Duschkopf mit Trapper-Fellkappe auf dem Kopf. In der weiss gekachelten Dusche. Mit Sektflasche. Fehlt nur noch der angeklebte Schnauz.
Anna Erhard kann das. Sie kann diese Minimal-Indie-Pop-Hits aufs Pausenbrot schmieren und so tun, als wäre alles ein grosser Spass und reiner Zufall. Also dieses Leben, abseits der inszenierten Instagram-Seifenoper. Das ist nämlich weniger ihr Ding.
Bei Anna Erhard ist alles ein bunter, kreativer Haufen Zeugs, leicht neben der Spur – auf den ersten Blick. Doch gleichzeitig vertont sie mit grosser Präzision das Tagebuch der lebenslangen Suche weiter, reflektiert auch diese beiläufige Unentschlossenheit einer flüchtigen Generation, die ganze Fluglinien und ein neues Paketvercheckerproletariat hervorgebracht hat, aber bisher noch keinen Sinn des Lebens. In Anna Erhards Songs klingt das Vorläufige sehr endgültig. Und das Flüchtige sehr klar. So wie bei Michael Stipes R.E.M. damals, einfach etwas lakonischer.
Auch «One Minute Of Silence» ist so ein schräges Kurzfilmspektakel (und ein Hit), Ende 2019 als Videoclip erschienen, nun auf dem Album mit drauf. So ist das Album, das dann nächste Woche auseinandergenommen wird, auch ein Album bereits vergangener Sequenzen und klingt deshalb vielleicht etwas melancholisch.
Ein verdammtes Geschenk
Oder der Clip zum Titelsong, «Short Cut» im letzten Sommer (ebenfalls ein Hit). Aber wie gesagt: Immer kam was dazwischen mit dem Berichten über Anna Erhards Leben und Wirken in Berlin – wo übrigens mittlerweile etwa zehn weitere Musiker*innen aus der Region Basel leben, von Jari Antti über Mehmet Aslan bis Jascha Dormann oder Julien Bitter – und eigentlich ist das ja auch egal jetzt mit den verpassten Chancen. Hier ist nun das Musikvideo «Send Me Your Best» (natürlich ein Hit, produziert und getrommelt von Pola Roy, genau der).
«Send Me Your Best» hat als Videoclip noch katastrophal schlechte Einschaltquoten und das liegt sicher nicht am frivolen Damenwitz mit der Banane vorne im Hosenschlitz oder der auch nicht unbedingt «künstlerisch wertvollen» Tradition des gemeinsamen Schnapssaufens in der WG-Küche. Auch nicht am sarkastischen Text über ein Beziehungsfiasko.
Das mit der Einschaltquote, immerhin, wird sich bald ändern, weil diese Songs auf dem Album Short Cut werden sie nun alle spielen. Nicht müssen, sondern dürfen. Denn das würden wir an dieser Stelle gerne ein für allemal klarstellen: Anna Erhards Musik ist ein verdammtes Geschenk.